Aufrechterhaltung des Verbundes bei unterschiedlichem Schicksal von Beschwerden gegen den Scheidungsausspruch und gegen eine Folgesache sowie Voraussetzungen für die Feststellung eines schweres Härteempfindens i.S.d. § 1568
FamFG § 142 Abs. 1; BGB § 1568
- Dem die Scheidung ablehnenden Ehegatten obliegt es, diejenigen Tatsachen konkret vorzutragen, die die Feststellung eines schweren Härteempfindens im Sinne des § 1568 BGB ermöglichen.
- § 142 Abs 1 FamFG gilt auch für die Beschwerdeinstanz.
- Die gebotene Aufhebung und Zurückverweisung einer Folgesache durch das Beschwerdegericht führt auch zur Aufhebung und Zurückverweisung des angefochtenen (und an sich zu bestätigenden) Schei-dungsausspruchs zwecks Aufrechterhaltens des Verbundes in erster Instanz.
OLG Brandenburg, Hinweisbeschluss vom 7.5.2012 9 UF 288/11
Sachverhalt
In einem Ehescheidungsverfahren hatte die von ihrem Ehemann etwa 6,5 Jahre getrennt lebende Ehefrau weder der Scheidung zugestimmt, noch gar einen eigenen Scheidungsantrag gestellt. Das Familiengericht, bei dem als Folgesache auch nachehelicher Unterhalt anhängig war, sprach die Ehescheidung aus und wies den Unterhaltsanspruch ab. Die Ehefrau legte sowohl gegen den Ausspruch der Ehescheidung als auch gegen die Abweisung des Unterhaltsanspruchs Beschwerde ein. In der Rechtsmittelbegründung gegen den Ausspruch der Ehescheidung wurden im wesentlichen wirtschaftliche Motive genannt. Was den Unterhalt betrifft, kann man den Beschlussgründen entnehmen, dass insbesondere die Einkommensermittlung ange-griffen wurde.
Entscheidung
Das OLG Brandenburg legt seine Auffassung in einem Hinweisbeschluss dar, da es im schriftlichen Verfahren nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG entscheiden möchte und führt folgendes aus: Die Beschwerde gegen den Scheidungsausspruch sei zulässig, aber unbegründet; die Beschwerde gegen die Entscheidung in der Folgesache Unterhalt dagegen zulässig und begründet. Gleichwohl bestehe keine Möglichkeit, den Scheidungsausspruch durch Zurückweisung der Beschwerde rechtskräftig werden zu lassen und die Folgesache Unterhalt an das Familiengericht zurückzuverweisen.
Würde so entschieden, würde der Scheidungsverbund (Ehescheidung und nachehelicher Unterhalt) aufgelöst. Dies widerspreche den Anforderungen des § 142 Abs. 1 FamFG, wonach im Fall der Scheidung über sämtliche im Verbund stehenden Familiensachen durch einheitlichen Beschluss zu entscheiden ist. § 142 FamFG gelte auch für die Beschwerdeinstanz, d.h. in der Rechtsmittelinstanz gelte der Scheidungsverbund fort, die Einheitlichkeit der Beschwerdeentscheidung müsse gewahrt werden. Wenn daher die Folgesache Unterhalt aufgehoben und zurückverwiesen werde, habe das gleiche zwecks Aufrechterhaltung des Verbundes in erster Instanz auch bezüglich des Scheidungsausspruchs zu geschehen.
Dabei komme es nicht darauf an, ob auch die Beschwerde gegen den Scheidungsausspruch Aussicht auf Erfolg habe und begründet sei.
Bezüglich der Voraussetzungen für eine Härtefallschei-dung wolle die Vorschrift des § 1568 2. Altern. BGB aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit eine Scheidung zur Unzeit verhindern, weshalb an die Feststellung der schweren Härte ein strenger Maßstab anzulegen sei.
Die Verweigerung der Scheidung müsse das einzige Mittel sein, um den Ehegatten vor einer für ihn durch die Scheidung sonst entstehenden unerträglichen Lage zu bewahren. Härten, die mit Trennung und Scheidung üblicherweise einhergingen, könnten niemals die Anwendung des § 1568 BGB rechtfertigen. Da die Ehe-frau derartige schwerwiegende Gründe nicht vorgetragen habe, könne sie keinen Erfolg haben.
Praxishinweis
Die Ausführungen des OLG zu den Anforderungen einer Härtefallscheidung überraschen nicht. Sie sind gleichwohl lesenswert, da in Scheidungsverfahren nur selten Härtegründe nach § 1568 eine Rolle spielen und Gerichte daher auch wenig damit zu tun haben.
Von größerem Interesse sind die Ausführungen zum Scheidungsverbund.
Dieser muss nach Auffassung des OLG selbst dann aufrechterhalten bleiben, wenn die Beschwerde gegen den Scheidungsbeschluss unbegründet ist. Würde die Beschwerde gegen den Scheidungsbeschluss nämlich zurückgewiesen, das Verfahren wegen des nachehelichen Unterhalts dagegen an das Amtsgericht zurückverwiesen, würde der Scheidungsverbund aufgehoben, was das OLG rich-tigerweise für nicht zulässig hält. Gerade im Zusam-menhang mit dem Abschluss eines eigenen Krankenversicherungsvertrages innerhalb eines Monats nach Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses kann dies erhebliche wirtschaftliche Bedeutung haben.
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Rechtsanwalt Robert Erdrich, Bonn
Autor: RA Robert Erdrich