Notarielles Verzeichnis bei Auskunftsanspruch im Erbrecht

Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 20.5.2020, Az. IV ZR 193/19, veröffentlicht in NJW 2020, 2187) hat der BGH eine weitreichende Entscheidung zu der Frage getroffen, welche Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis zu stellen sind.

Ausgangslage

Einem Pflichtteilsberechtigten steht gegen den Erben ein Auskunftsanspruch über den Bestand und Umfang des Nachlasses zu. Auf diese Weise soll der Pflichtteilsberechtigte in die Lage versetzt werden, die Höhe des Pflichtteilsanspruchs zu beziffern.

Dabei kann der Pflichtteilsberechtigte diese Auskunft vom Erben selbst verlangen. Er kann vom Erben aber auch fordern, dass die Auskunft durch einen Notar gefertigt wird, indem dieser Notar ein notarielles Verzeichnis zu erstellen hat (§ 2314 I 1 und 3 BGB).

Der Erbe kann sogar nach Erhalt des vom Erben erstellten Verzeichnisses immer noch auf Vorlage eines notariellen Verzeichnisses bestehen.

Sachverhalt

Der Erbe hatte einen Notar mit der Erstellung eines notariellen Verzeichnisses beauftragt. Dieses Verzeichnis wurde vom Notar auch erstellt, beinhaltete jedoch den Hinweis, dass Angaben zu einem in Österreich befindlichen Bankkonto nicht gemacht werden könnte, weil der Erbe dem Notar nicht die Befugnis erteilt habe, mit der österreichischen Bank in Kontakt zu treten.

Der Pflichtteilsberechtigte verlangte die Ergänzung des notariellen Verzeichnisses, was der Erbe mit Hinweis darauf verweigerte, dass ein Anspruch auf Ergänzung oder Berichtigung eines notariellen Verzeichnisses nicht geltend gemacht werden könne.

Entscheidung des BGH

Richtigerweise hielt der BGH die vom Erben erteilte Auskunft nicht für ausreichend und vollständig. Indem er dem Notar zu einem bestimmten Konto keine Auskunftsbefugnis erteilt habe, sei er seinen Verpflichtungen zur Auskunftserteilung nicht nachgekommen.

Dabei stellte der BGH folgende Grundlagen dar:

  • Grundsätzlich könne die Ergänzung oder Berichtigung eines notariellen Nachlassverzeichnisses nicht verlangt werden. Dem Pflichtteilsberechtigten verbleibe bei Zweifeln an der Richtigkeit des notariellen Verzeichnisses nur die Möglichkeit, vom Erben zu verlangen, die Richtigkeit und Vollständigkeit des notariellen Verzeichnisses an Eides statt zu versichern (§ 260 BGB).
  • Ausnahmsweise besteht aber auch bei einem notariellen Verzeichnis ein Ergänzungs- oder Berichtigungsanspruch, wenn in diesem eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen – etwa aufgrund eines Rechtsirrtums des Auskunftspflichtigen – nicht aufgeführt ist.
  • Eine weitere Ausnahme zu machen ist, wenn Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen fehlen.
  • Ferner, wenn der Pflichtige sich nicht intensiv genug darum bemüht, fremdes Wissen zu erforschen (wenn z.B. die Möglichkeit naheliegt, dass eine andere Person Kenntnis über weitere Nachlassgegenstände hat und der Pflichtige dort nicht nachfragt).
  • Schließlich, wenn sich aus dem notariellen Verzeichnis ergibt, dass sich der Notar nur auf die Angaben des Erben verlassen hat, ohne dass der Notar eigene Ermittlungen anstellt.

Die Entscheidung des BGH schafft erfreuliche Klarheit hinsichtlich einiger bisher ungeklärter Rechtsfragen. Die Literatur und die unterinstanzlichen Gerichte vertraten differierende Meinungen, die nun durch das Urteil des BGH geklärt sein sollten.