OLG Köln: Konkrete Bedarfsberechnung oder Quotenunterhalt bei hohem Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen sowie Beginn der Erwerbsverpflichtung nach Trennung der Eheleute und Höhe eines fiktiven Einkommens der Ehefrau
§§ 1573, 1578 BGB
Bis zu einem Unterhaltsbedarf von 5.100,– kann Ehegattenunterhalt auch schon während der Trennungsphase ohne konkrete Bedarfsberechnung im Rahmen der Quotenberechnung geltend gemacht werden.
Ist der Unterhalt begehrende Ehegatte während der Ehe keiner Berufstätigkeit nachgegangen, muss er auch im Trennungsjahr nicht berufstätig sein, sondern kann das Trennungsjahr zur Neuorientierung einer Erwerbstätig-keit nutzen. (Leitsätze vom Verfasser)
OLG Köln, Urteil vom 24.1.2012 4 UF 137/11
Sachverhalt
Die Eheleute, aus deren Ehe 2 offensichtlich nicht mehr betreuungsbedürftige Kinder hervorgegangen sind, leben seit Juli 2008 voneinander getrennt. Der Ehemann erzielte in 2008 monatliche Nettoeinkünfte von etwa 9.900,– und in 2009 von etwa 9.160,– . Besondere Aufwendungen zur Vermögensbildung trägt er in nicht substanziierter Form vor. An Kindesunterhalt zahlt er unstreitig seit der Trennung 1.507,– /Monat.
Die Ehefrau war im Zeitpunkt der Trennung und danach nicht berufstätig und beruft sich darauf, aus krankheitsbedingten Gründen keinen Beruf ausüben zu können. Ihr Vortrag hierzu ist unsubstanziiert. Die Ehefrau ist gelernte Friseurin, war in diesem Beruf aber kaum tätig. Noch vor Beginn der Ehe wechselte sie in den Einzelhandel, wo sie bis zur Filialleiterin aufstieg und im Jahr 1988 über ein monatliches Bruttoeinkommen von rund 3.800,– DM (heute umgerechnet 1.942,91 ) verfügte.
Die Ehefrau verlangt Quotenunterhalt und möchte sich eigene Einkünfte nicht zurechnen lassen. Der Ehemann ist der Auffassung, die Ehefrau müsse den eigenen Unterhaltsbedarf konkret berechnen und darlegen. Er trägt vor, der Unterhaltsbedarf der Ehefrau liege einschließlich der eheangemessenen Wohnkosten nur bei 1.450,–.
Gegen das Urteil des Amtsgerichts haben sowohl die Ehefrau als auch der Ehemann Rechtsmittel eingelegt.
Entscheidung
Das OLG legt der Unterhaltsberechnung das volle Einkommen des Ehemannes zugrunde. Abzüge für besondere oder zusätzliche Vermögensaufwendungen nimmt es nicht vor, da der Ehemann hierzu trotz konkreter Nachfragen durch das Gericht nicht substanziiert vorgetragen hat. Vor Berechnung des Ehegattenunterhaltes zieht es vom Nettoeinkommen den vom Ehemann gezahlten Kindesunterhalt sowie berufsbedingte Aufwendungen ab.
Den Unterhaltsanspruch der Ehefrau berechnet das OLG dann nach der 3/7-Quote. Dem Einwand des Ehemannes, der Ehefrau stehe nicht Quotenunterhalt zu, sie habe vielmehr nur Anspruch auf einen konkret berechneten Unterhaltsbedarf, den sie im Einzelnen darlegen müsse, folgt das OLG nicht.Es beruft sich hierzu auf eine Entscheidung des BGH zum nachehelichen Unterhalt vom 11.8.2010 (Az. XII ZR 102/09), der das Gericht entnimmt, dass jedenfalls bis zur Höhe des Betrages von 5.100,– der Unterhaltsbedarf nach der 3/7-Quote berechnet werden kann.
Der Ehefrau rechnet das OLG nach Ablauf des Trennungs-jahres ein fiktives Einkommen zu, welches sich nicht an dem erlernten Beruf, vielmehr an den Einkünften des zuletzt ausgeübten Berufs orientiert. Dabei geht das Gericht allerdings wegen der seit 1988 verstrichenen Zeit nicht davon aus, dass die Ehefrau sofort wieder eine Filialleiterstelle einnehmen kann; es unterstellt allerdings, dass unter Berücksichtigung der Geldentwertung seit 1988 zumindest das damals erzielte Einkommen mit einer niedrigerwertigen Tätigkeit auch jetzt erzielt werden kann.
Praxishinweis
Das Urteil des OLG nimmt erfreulich eindeutig zu einigen Fragen Stellung, die sich in der täglichen Praxis häufiger ergeben.
Zur Problematik der konkreten Bedarfs- oder der Quotenberechnung gibt es freilich keine einheitliche Rechtsprechung. Es wird insoweit auf die Darstellung von Gerhardt in Wendl/Gerhardt Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 8.Auflage Rn. 763 ff. verwiesen.
Man wird sich in jedem OLG-Bezirk auf die dort vertretene Auffassung einstellen müssen.
Was die Höhe der fiktiv zuzurechnenden Einkünfte betrifft, zeigen die Ausführungen des OLG das Dilemma, in dem man bei der Beurteilung steckt: Einfach das zuletzt (in 1988) bezogene Gehalt fortzuschreiben, kann, muss aber nicht richtig sein. Wahrscheinlich hätte das OLG auch so gerechnet, wenn dieses Gehalt in 1986 oder 1995 erzielt worden wäre, was die Spannbreite aufzeigt.
Allerdings scheint eine mögliche Alternative, zur tatsächlich zu erlangenden beruflichen Stellung und der hiermit verbundenen Einkommensmöglichkeiten ein Sachverständigengutachten einzuholen, auch nicht der Weisheit letzter Schluss, da Gutachten, die zu Prog-nosen Stellung nehmen sollen, eher selten überzeugen.
Rechtsanwalt Robert Erdrich, Bonn
Autor: RA Robert Erdrich