FamFG § 78 Abs. 2
- Über die Frage der Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten im Rahmen des § 78 Abs. 2 FamFG hat das Amtsgericht vor einer mündlichen Verhandlung zur und vor einer Entscheidung in der Hauptsache zu befinden. (amtlicher Leitsatz)
- Im Falle der Ablehnung einer Beiordnung ist dem um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Beteiligten eine angemessene Frist zur Überlegung einzuräumen, ggf. auch durch Verlegung eines bereits anberaumten Termins. (amtlicher Leitsatz)
OLG Celle, Beschluss vom 24.9.2013 17 WF 199/13
Sachverhalt
In einem Gewaltschutzverfahren, welches durch die Antragstellerin zu Protokoll der Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts eingeleitet wurde, bestellt sich unter Vorlage einer Vollmacht eine Rechtsanwältin für die Antragstellerin, die auch einen Betreuerausweis vorlegt, aus dem sich ergibt, dass die Antragstellerin unter anderem in den Aufgabenkreisen Vermögenssorge und Vertretung gegenüber juristischen Personen der Betreuung bedarf.
Für die Antragstellerin wird ein Verfahrenskostenhilfeantrag gestellt. Ebenso stellt eine Rechtsanwältin, die sich für den Antragsgegner legitimiert, einen Verfahrenskostenhilfeantrag. Das Amtsgericht hat vor einem Gerichtstermin lediglich über den Antrag der Antragstellerin entschieden und dieser Verfahrenskostenhilfe bewilligt. Dies allerdings ohne Beiordnung der Rechtsanwältin und mit dem Hinweis, eine Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten sei auf keiner Seite in Betracht zu ziehen. Über den Verfahrenkostenhilfeantrag des Antragsgegners entscheidet das Gericht vor dem Gerichtstermin nicht.
Im Nachgang wird dem Antragsgegner Verfahrenskostenhilfe bewilligt, die Beiordnung seiner Rechtsanwältin allerdings abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner sofortigen Beschwerde.
Entscheidung
Das OLG gibt der Beschwerde statt und ordnet dem Antragsgegner seine Rechtsanwältin bei.
Zunächst weist das OLG darauf hin, dass der Verfahrenskostenhilfe Begehrende grundsätzlich einen Anspruch darauf hat, dass vor einer mündlichen Verhandlung zur Hauptsache und vor einer Hauptsacheentscheidung über sein Verfahrenskostenhilfegesuch entschieden wird. Wäre der Antrag durch eine Entscheidung vor der mündlichen Verhandlung zurückgewiesen worden, hätte ein Verhandlungstermin ggf. aufgehoben werden müssen, um dem Antragsteller die Möglichkeit zu geben, wegen des zurückgewiesenen VKH-Antrages das Beschwerdeverfahren durchzuführen. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gebiete es nämlich, eine angemessene Überlegungsfrist eingeräumt zu bekommen. Damit solle dem mit seinem VKH-Antrag Zurückgewiesenen die Möglichkeit gegeben werden, auch das eigene prozessuale Verhalten auf ein Kostenrisiko, das bei Zurückweisung des VKH-Antrages entstehe, einzustellen (möglicherweise Abgabe eines Anerkenntnisses).
Ferner sei vom Amtsgericht versäumt worden, auch subjektive Kriterien zu berücksichtigen, was sich wegen der persönlichen Verhältnisse auf Seiten der Antragstellerin angeboten habe. Die auf Seiten der Antragstellerin eingerichtete Betreuung mit den konkreten Aufgabenkreisen hätte zu der naheliegenden Frage führen müssen, ob es nicht der Hilfe einer Verfahrensbevollmächtigten bedurft hätte. Wenn das aber auf Seiten der Antragstellerin so hätte gesehen werden müssen, hätte dies auf Seiten des Antragsgegners dazu führen müssen, das Argument der Waffengleichheit zu prüfen. Dieses Argument führe im Anwendungsbereich des § 78 Abs. 2 FamFG zwar nicht zwingend zur Beiordnung eines Rechtsanwalts; für die Frage der Erforderlichkeit der Anwaltsbeiordnung sei dies aber als gewichtiges Argument zu berücksichtigen.
Praxishinweis
Die Grundsätze, die das OLG Celle in seinem zum Teil nur knapp begründeten Beschluss aufstellt, sind besonders auch aus Anwaltssicht zu begrüßen. In der täglichen Praxis wird keineswegs immer so verfahren, wie es das OLG postuliert. Leider wird die oft missliche Situation gerade auch für Rechtsanwälte nicht hinreichend bedacht. Diese wissen in fast allen VKH-Mandaten, dass eine Vergütung nur über die Landeskasse erfolgen kann und wird, die eigene Partei also mangels Masse nichts zahlt.
Selbst als Antragstellervertreter kann man nicht sicher sein, dass nach Antragseingang und Anhörung des Antragsgegners vorab über den VKH-Antrag entschieden wird. Nicht sehr häufig, aber auch keineswegs selten wird ein Termin anberaumt, in welchem zunächst über die Frage der VKH-Bewilligung entschieden werden soll. Für den Anwalt bedeutet dies zusätzlichen Aufwand bei nach wie vor bestehender Ungewissheit, ob er sein Honorar erhalten wird. Noch schlechter ist es bei Tätigkeit auf Antragsgegnerseite, da das Verfahren ja schon läuft und durch die fehlende Entscheidung über einen VKH-Antrag auf Antragsgegnerseite im weiteren Fortgang nicht gehindert wird.