Sachverhalt
In einem Betrieb beschwerte sich eine Arbeitnehmerin gegenüber dem Arbeitgeber über einen Arbeitskollegen, der ihr Unterlagen mit pornographischem Inhalt übermittelt hatte. Sie bat gleichzeitig aus bestimmten Gründen darum, diese Informationen zunächst vertraulich zu behandeln. Die Arbeitnehmerin erkrankte dann wegen des angezeigten Sachverhalts. Der Arbeitgeber unternahm daher zunächst nichts. Nach gut 3 Wochen teilte die Arbeitnehmerin mit, dass sie den Vorbehalt der Vertraulichkeit aufhebe und die Sache nun offiziell mache. Daraufhin hörte der Arbeitgeber den beschuldigten Arbeitskollegen zu den Vorwürfen an und kündigte ihm anschließend fristlos.
Der gekündigte Arbeitnehmer ist der Auffassung, dass die 2-Wochen-Frist des § 626 II BGB nicht eingehalten wurde und die fristlose Kündigung daher unwirksam ist.
Urteil
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 27.6.2019, Az. 2 ABR 2/19, veröffentlicht in NJW 2020, 419) hält die fristlose Kündigung für wirksam. Es führt aus:
Der Arbeitgeber ist nach Kenntnis von einem Sachverhalt, der zu einer fristlosen Kündigung führen kann, berechtigt, nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anzustellen und den Betroffenen anzuhören, ohne dass die 2-Wochen-Frist des § 626 II BGB zu laufen beginnt. Er muss allerdings mit der gebotenen Eile solche Ermittlungen durchführen, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts und der Beweismittel verschaffen können.
Soll außerdem der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen, die im Normalfall nicht länger als eine Woche betragen soll. Für die übrigen Ermittlungen gibt es keine Regelfrist. Sind die Ermittlungen abgeschlossen und besteht hinreichende Kenntnis vom Kündigungssachverhalt, beginnt die 2-Wochen-Frist zu laufen. Unbeachtlich ist dabei, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder überflüssig waren.
Wenn die den Sachverhalt anzeigende Mitarbeiterin zunächst um Vertraulichkeit bittet und der Arbeitgeber etwa 3 Wochen nichts unternimmt, weil er darauf wartet, ob das Vertraulichkeitsgebot bestehen bleibt, führt dieser Zeitablauf von etwa 3 Wochen nicht dazu, dass die 2-Wochen-Frist des § 626 II BGB verstrichen und eine fristlose Kündigung nicht mehr möglich ist. Allerdings muss der Arbeitgeber darauf achten, dass er nicht unzumutbar lange zuwartet.
Ggf. muss er unter Fristsetzung dazu auffordern, eine Erklärung abzugeben, ob es bei der verlangten Vertraulichkeit bleibt. Da die anzeigende Arbeitnehmerin anlassbedingt erkrankt war, hielt das BAG die verstrichene Frist noch nicht für zu lang, so dass der Arbeitgeber noch fristlos kündigen kann. Zur weiteren Aufklärung wurde der Rechtsstreit mit diesen Hinweisen an die Vorinstanz zurückverwiesen.
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