Reduziertes Erbe durch angerechnete Zuwendung bei Lebzeiten?
Sachverhalt
Ein Erblasser wendet zu Lebzeiten einem Pflichtteilsberechtigten etwas zu und bestimmt danach, dass der Pflichtteilsberechtigte sich diese Zuwendung auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen muss.
Es stellt sich dann die Frage, ob der Pflichtteilsberechtigte dies hinnehmen muss.
Beispiel: Der Vater schenkt einem seiner Kinder zu Lebzeiten 50.000,- €. Als er dann später ein Testament macht, verfügt er, dass dieses Kind nicht erben soll, sondern nur seinen Pflichtteil erhalten soll. Gleichzeitig bestimmt er in seinem Testament, dass die vor Abfassung des Erbes gemachte Zuwendung auf das Pflichtteil anzurechnen ist, den Pflichtteilsanspruch also reduziert.
Der Erbe muss sich die Zuwendung nicht anrechnen lassen! Entscheidung des Gerichts:
Das OLG Koblenz (Urteil vom 15.6.2020, z. 12 U 1566/19) urteilt, dass sich das pflichtteilsberechtigte Kind diese Zuwendung nicht anrechnen lassen muss.
Eine Anrechnung könne nur stattfinden, wenn die Anrechnung auf den Pflichtteil im Zeitpunkt der Zuwendung erklärt worden ist. Soweit dies nicht geschehen sei, könne eine nachträgliche Anrechnungsbestimmung nicht wirksam sein.
Begründet wird dies damit, dass der Pflichtteilsberechtigte die Möglichkeit erhalten muss, bei Erhalt der Zuwendung zu entscheiden, ob er diese Zuwendung überhaupt annehmen will, wenn vom Zuwendenden und späteren Erblasser erklärt wird, dass er sich diese Zuwendung auf den Pflichtteil anrechnen lassen muss.
Empfehlung von Rechtsanwalt Erdrich aus Bonn
Will ein Erblasser erreichen, dass eine Zuwendung auf den Pflichtteil angerechnet wird, muss er dies im Zeitpunkt der Zuwendung unmissverständlich erklären. Tut er dies nicht oder gibt er die Erklärung später ab, ist dies unwirksam. Der Pflichtteilsberechtigte braucht sich die Zuwendung dann nicht auf den Pflichtteil anrechnen lassen.