Nachschieben von Kündigungsgründen bei außerordentlicher Kündigung

Nachträglich Kündigungsgründe liefern? Ist das möglich?

Eine Klinik kündigte den bei ihr seit dem Jahr 2000 angestellten Chefarzt im Jahr 2018 fristlos. Die Kündigung stützte die Klinik auf eine Tätlichkeit des Chefarztes gegenüber einer Mitarbeiterin im Jahr 2015, die ihr erst im Jahr 2018 bekannt wurde. Der Chefarzt wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung. Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens schob die Klinik weitere Kündigungsgründe nach. Insbesondere stützte sie die Kündigung unter anderem auf vorsätzliche falsche Abrechnungen von Behandlungen sowie auf Fehlbehandlungen von Patienten durch den Chefarzt. Der Chefarzt hielt dieses Nachschieben von Kündigungsgründen für unzulässig.

Wie das Gericht bei nachträglichen gelieferten Kündigungsgründen entscheidet

Das BAG hat mit Beschluss vom 12.01.2021 (Az. 2 AZN 724/20, veröffentlicht in NZA 2021, 710) entschieden, dass ein Nachschieben von Kündigungsgründen auch im gerichtlichen Verfahren möglich ist. Erforderlich sei lediglich, dass der Kündigungsgrund im Zeitpunkt, in welchem die Kündigung dem Arbeitnehmer zugeht, bereits objektiv vorliege. Nicht erforderlich sei dagegen, dass der Kündigungsgrund dem Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt ist.

Das BAG betonte in der Entscheidung außerdem, dass ein sachlicher oder zeitlicher Zusammenhang zwischen den schon bekannten und erst nachträglich bekannt gewordenen Kündigungsgründen nicht erforderlich sei.

Es sei insofern sogar möglich, dass der Arbeitgeber zunächst eine Kündigung ohne eine Angabe von Gründen erkläre, solange ein berechtigter Grund für die Kündigung bei Zugang der Kündigung beim Arbeitnehmer schon vorliege.

Fazit: Eine Kündigung ist nicht zwingend unwirksam, wenn die Kündigungsgründe nicht im Kündigungsschreiben sind

Die Entscheidung des BAG ist keinesfalls völlig neu. Vielmehr führt sie die bisherige Rechtsprechung zur Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen fort. Bereits im Rahmen des Urteils vom 18. Juni 2015 (Az. 2 AZR 256/14) sowie des Urteils vom 23. Mai 2013 (2 AZR 102/12) hatte der BAG entschieden, dass die gesetzlichen Regelungen einem Nachschieben von Gründen nicht entgegenstehen.

Für Arbeitnehmer heißt das, dass eine Kündigung nicht zwingend deshalb unwirksam ist, weil die Kündigungsgründe im Kündigungsschreiben nicht oder nur teilweise angegeben werden. Der Arbeitgeber kann Kündigungsgründe nachträglich nennen, ergänzen oder auch austauschen. Entscheidend ist dabei allein, dass die Gründe, die die Kündigung dann stützen sollen, bereits zu dem Zeitpunkt vorlagen, zu dem der gekündigte Arbeitnehmer die Kündigung erhalten hat.

 

Bonn, den 28.05.2021