Beim Mindestunterhalt für ein minderjähriges Kind gilt grundsätzlich ein strenger Maßstab:
Da ein minderjähriges Kind in der Regel kein eigenes Einkommen erzielen kann (außer es beginnt eine Berufsausbildung und erhält dort eine Vergütung), ist der unterhaltspflichtige Elternteil verpflichtet, alles zu tun, um den Mindestunterhalt zu zahlen. So muss er auch zusätzlich zu einer vollschichtigen Berufstätigkeit gegebenenfalls einen Minijob annehmen, um sein Gesamteinkommen zu erhöhen.
Kindesunterhalt zahlen als Auszubildender?
Von diesen strengen Regeln gibt es eine Ausnahme: Hat noch keine Berufsausbildung und befindet er sich zur Zeit in einer solchen, darf er diese Ausbildung selbst dann zu Ende führen, wenn er während der gesamten Ausbildung nur so wenig verdient, dass er keinen Kindesunterhalt zahlen kann.
Die Erlangung einer Berufsausbildung geht also dem Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes vor.
Dies ergibt sich aus der bisherigen Rechtsprechung der Gerichte, auch aus drei neuen Entscheidungen des OLG Stuttgart (Beschluss vom 28.1.2021, Az. 11 WF 121/2020, veröffentlicht in FamRZ 526, 2022), des OLG Bamberg (Beschluss vom 9.2.2022, Az. 7 UF 196, 21, veröffentlicht in BeckRS 2022, 3266) und des OLG Köln, Beschluss vom 8.6.2021, Az. 10 UF 24/21, veröffentlicht in FamRZ 524, 2022).
Das OLG Köln geht allerdings dann trotz bestehender Berufsausbildung von einer Unterhaltsverpflichtung aus, wenn bereits mehrere Erstausbildungen abgebrochen wurden und der Unterhaltsschuldner in der Lage ist, eine berufliche Tätigkeit auszuüben, mit der er sowohl sein Einkommen als auch den Mindestunterhalt erwirtschaften kann.
Zum gleichen Ergebnis kommt das OLG Bamberg in einem Fall, in dem ein 45-jähriger Unterhaltspflichtiger in der Vergangenheit stets ungelernte Tätigkeiten ausgeübt hat; dies über mehrere Jahre hinweg. Es wird in einem solchen Fall nicht toleriert, dass jetzt eine Berufsausbildung begonnen wird, die zur Folge hat, dass wegen der niedrigen Ausbildungsvergütung kein Kindesunterhalt gezahlt werden kann.
Das OLG Stuttgart hält noch einmal fest, dass eine abgeschlossene Berufsausbildung in der Regel zur Aufnahme eines Berufs führt, mit dessen Einkommen dann der Kindesunterhalt gezahlt werden kann. Die Absolvierung einer ersten Berufsausbildung muss daher vorgehen; dies selbst dann, wenn der Schulabschluss schon eine Weile zurückliegt.
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Rechtsanwalt Robert Erdrich
Bonn, den 22.4.2022