Das Bundesarbeitsgericht, besonders aber der Europäische Gerichtshof, haben in den vergangenen Jahren den Umgang mit Urlaubsansprüchen von Arbeitnehmern weitreichend geändert.
Im Bundesurlaubsgesetz steht bisher und nach wie vor, dass der Arbeitnehmer seinen Jahresurlaub in dem aktuellen Jahr nehmen muss. Nur ausnahmsweise kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach dem Gesetz gestatten, diesen Urlaub des laufenden Jahres bis zum 31.3. des Folgejahres nehmen.
Die Höhe des offenen Resturlaubs hat Bedeutung über die notwendige Erholung hinaus. Wenn nämlich das Arbeitsverhältnis endet und es ist am letzten Tag noch offene Urlaubstage gibt, hat der Arbeitgeber diese finanziell abzugelten, den Urlaub also auszuzahlen. Es ist für Arbeitgeber und Arbeitgeber also durchaus auch von großem finanziellen Interesse, wie die Gerichte mit offenen Urlaubsansprüchen umgehen.
Grundsätze für den Urlaubsanspruch
Folgende Grundsätze haben die Gerichte in den letzten gut 10 Jahren entwickelt:
- Der Urlaubsanspruch eines dauerhaft krankheitsbedingt arbeitsunfähigen Arbeitnehmers verfällt 15 Monate nach Ende des jeweiligen Urlaubsjahrs (Urteil des EuGH vom 20.1.2009, veröffentlicht in NZA 2009,135). Dies bedeutet für den Arbeitgeber, dass er bei Beendigung des Arbeitsverhältnis den in den letzten 15 Monaten entstandenen Urlaub finanziell abgelten muss
- Diese 15 Monate gelten aber nicht für die Arbeitnehmer, die arbeitsfähig sind und keine Zeit oder keine Lust hatten, Urlaub zu nehmen. Bei diesen verfällt der Urlaubsanspruch nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ausdrücklich in nachweisbarer Form darauf hinweist, dass noch Urlaubsansprüche offen sind. Auch muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auffordern, den Urlaub zu nehmen. Tut der Arbeitgeber dies, verfällt der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers, wie es das Bundesurlaubsgesetz vorsieht, also am Ende des aktuellen Arbeitsjahres.
Die genannten Regeln für den Verfall der Urlaubsansprüche gelten nur für den gesetzlichen Urlaub, der gegenwärtig 20 Arbeitstage oder 24 Werktage pro Jahr beträgt. Sind in Arbeitsverträgen höhere Urlaubsansprüche vorgesehen (was häufig der Fall ist), können in Arbeitsverträgen andere Vereinbarungen für den Verfall von Urlaubsansprüchen getroffen werden. Arbeitgeber sind gut beraten, wenn sie solche Regelungen vorsehen. Ansonsten müssen sie ggf. damit rechnen, dass hohe Urlaubsabgeltungsansprüche drohen, die in der Bilanz in Form von Rückstellungen auftauchen müssen.
Bonn, den 11.11.2022