§§ 628 Satz 2 Nr. 4 ZPO a.F., 1578 BGB
- Eine unzumutbare Härte, die eine Abtrennung der Folgesache nachehelicher Unterhalt vom Scheidungsverfahren rechtfertigen kann, kann für den unterhaltspflichtigen Ehegatten dann vorliegen, wenn ohne eine Vorabentscheidung über die Ehescheidung der Zeitpunkt, bis zu dem nachehelicher Unterhalt in voller Höhe oder überhaupt gezahlt werden muss, absolut gesehen hinausgeschoben wird.
- Weder ist der fehlende Abschluss eines Trennungsunterhaltsverfahrens ein sachlicher Grund für die erst spät im Verbund erfolgende Anhängigmachung einer Folgesache nachehelicher Ehegattenunterhalt, noch stellt eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz eine ungenügende Sicherung des Unterhaltsberechtigten dar (Abgrenzung zu OLGR Naumburg 2000, 360).Zu Ziffer 1: Leitsatz des Verfassers; zu Ziffer 2: Amtlicher Leitsatz
AG Ludwigslust, Urteil vom 15.9.2010 5 F 45/09
Sachverhalt
In dem Scheidungsverfahren der Parteien wurde der Scheidungsantrag in 2006 zugestellt. Nach über 3 Jahren macht die Antragsgegnerin ein auf Trennungsunterhalt gerichtetes Verfahren anhängig, welches bisher noch nicht entschieden ist, was u. a. daran liegt, dass mehrfach neue Anträge gestellt wurden (zunächst Leistungsantrag, dann Wechsel zu einem Auskunftsantrag mit daran anschließenden Leistungsanträgen, die sich der Höhe nach änderten) und außerdem die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Wohnwert Wohnhauses notwendig ist.
Der Antragsteller begehrt die Abtrennung der Folgesache nachehelicher Unterhalt vom Scheidungsverbund und begründet dies u.a. mit der zwischenzeitlichen Verfahrensdauer. Ferner bringt er vor, dass die Antragsgegnerin existentiell nicht von Unterhaltszahlungen abhängig sei. Die Antragsgegnerin verfügt aus eigener Berufstätigkeit über monatliche Nettoeinkünfte von etwa 2.000,–. Sie widerspricht einer Abtrennung mit dem Argument, mit Scheidung der Ehe entfalle ihr Trennungsunterhaltsanspruch, zumal auch ein in einem einstweiligen Anordnungsverfahren titulierter Teilanspruch auf Tragung der Hauskosten mit der Scheidung ende.
Entscheidung
Das AG Ludwigslust, das noch nach altem Recht entscheidet, trennt die Folgesache nachehelicher Unterhalt ab und scheidet die Ehe. Es stützt diese Entscheidung im wesentlichen auf folgende Gründe: Einmal müsse man eine Verfahrensdauer von mehr als 2 Jahren (im entschiedenen Fall 41/2 Jahre) als außergewöhnlich lang ansehen, so dass alleine schon dies für eine Abtrennung spreche. Weiterhin lässt das AG nicht unberücksichtigt, dass die Folgesache Ehegattenunterhalt erst über 3 Jahre nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit der Scheidung selbst eingereicht worden ist.
Dabei sei nicht entscheidend, ob über den Trennungsunterhalt bereits entschieden sei oder noch nicht, da es sich um unterschiedliche Unterhaltsarten handele. Schließlich und dies ist das maßgebliche Argument des AG müsse berücksichtigt werden, dass über die Frage, ob der Antragsgegnerin ein nachehelicher Unterhaltsanspruch zustehe, erst entschieden werden könne, wenn der Zeitpunkt der Scheidung feststehe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass mit dem ab dem 1.1.2008 geltenden neuen Unterhaltsrecht die Eigenverantwortung gestärkt worden sei. Wenn während des Getrenntlebens erheblicher Unterhalt zu zahlen ist, während bei einer Entscheidung über den Scheidungsantrag die Unterhaltspflicht verringert werden oder ganz wegfallen könne, sei für den unterhaltspflichtigen Ehepartner eine unzumutbare Härte denkbar.
Je weiter die Entscheidung über die Scheidung (wegen anhängiger Folgesachen) hinausgezögert werde, um so mehr werde die Entscheidung darüber, bis zu welchem Zeitpunkt nachehelicher Unterhalt in voller Höhe oder überhaupt gezahlt werden müsse, hinausgeschoben. Dies sei dem Antragsteller nicht zuzumuten, da eine Verzögerung auch nur um 1 Jahr eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung bedeuten könne. Demgegenüber wögen die Beeinträchtigungen für die Antragsgegnerin nicht so schwer. Zwar sei zuzugestehen, dass mit der Scheidung der Trennungsunterhalt wegfalle, was wegen des eigenen Einkommens aber keine existentielle Bedeutung habe. Sollte der Antragsteller die Zahlung der Hauslasten einstellen, könne sie immer noch ein einstweiliges Anordnungsverfahren einleiten.
Praxishinweis
Obwohl die Entscheidung des AG nicht vollständig überzeugt, enthält das Urteil wichtige Hinweise für die Praxis: Man wird sich mit der Anhängigmachung der Folgesache nachehelicher Unterhalt sicherlich nicht deswegen Zeit lassen können, weil über den Trennungsunterhalt noch nicht entschieden ist. Beide Unterhaltsansprüche folgen ganz anderen Regeln. Unabhängig davon ist es bei Streit über den Unterhalt und schon lange dauerndem Scheidungsverfahren geboten, auch den nachehelichen Unterhalt frühzeitig gerichtlich zu beantragen, um zu verhindern, dass der Trennungsunterhalt wegen ausgesprochener Scheidung entfällt, ohne dass über den nachehelichen Unterhalt entschieden wurde.
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Rechtsanwalt Robert Erdrich, Bonn
Autor: RA Robert Erdrich