Zugewinnausgleich Kernregelungen des Reformvorhabens

1.  Negatives Anfangsvermögen, § 1375 I BGB-E

Bisher war das Anfangsvermögen auf Null begrenzt; es konnte also nicht negativ sein. Damit war der Ehepartner, der mit Schulden in die Ehe ging, besser gestellt.

Beispiel nach geltendem Recht

Ehefrau Ehemann
Keine Schulden Schulden 50.000,–
Anfangsvermögen 0,– 0,–
Endvermögen 60.000,– 100.000,–
Zugewinn 60.000,– 100.000,–
Differenz 40.000,–
Ausgleichspflicht 20.000,– vom Ehemann an die Ehefrau

Berechnung nach neuem Recht

Anfangsvermögen 0,– – 50.000,–
Endvermögen 60.000,– 100.000,–
Zugewinn 60.000,– 150.000,–
Differenz 90.000,–
Ausgleichspflicht 45.000,– vom Ehemann an die Ehefrau

Dies gilt auch, wenn das Anfangsvermögen privilegiert erworben wurde. Auch derartiger Erwerb wird in’s Minus gestellt, wenn mit ihm Belastungen verbunden sind, die die Aktiva übersteigen. Zu denken ist etwa an den Fall, dass ein Ehegatte einen überschuldeten Nachlass annimmt. Werden die Verbindlichkeiten während der Ehe ganz oder teilweise getilgt, schlägt der dadurch erzielte Gewinn nach dem neuen Gesetz als Zugewinn zu Buche.

Beispiel nach geltendem Recht

Ehefrau Ehemann
Keine Schulden, kein Privilegierter Erwerb
Privilegierter Erwerb – 500.000,–
Anfangsvermögen 0,– 0,–
Endvermögen 60.000,– 100.000,–
Zugewinn 60.000,– 100.000,–
Differenz 40.000,–
Ausgleichspflicht 20.000,– vom Ehemann an die Ehefrau

Berechnung nach neuem Recht

Anfangsvermögen 0,– – 500.000,–
Endvermögen 60.000,– 100.000,–
Zugewinn 60.000,– 600.000,–
Differenz 540.000,–
Ausgleichspflicht 270.000,– vom Ehemann an die Ehefrau

2. Negatives Endvermögen, § 1375 I BGB-E

Hat ein Ehegatte während der Ehe Schulden, die er in die Ehe mitgebracht hat ganz oder teilweise verringert, wird diese Schuldenreduzierung dann als Zugewinn angesehen, wenn er der Ausgleichsberechtigte im Zugewinn ist. In diesem Fall wird die Schuldenreduzierung dem Zugewinn des anderen gegenüber gestellt.

Beispiel nach geltendem Recht

Ehefrau Ehemann
Keine Schulden Schulden 100.000,–
Anfangsvermögen 0,– 0,–
Schuldenreduzierung um 50.000,–
Endvermögen 60.000,– 0,–
Zugewinn 60.000,– 0,–
Differenz 60.000,–
Ausgleichspflicht 30.000,– von der Ehefrau an den Ehemann

Berechnung nach neuem Recht

Anfangsvermögen 0,– – 100.000,–
Endvermögen 60.000,– – 50.000,–
Zugewinn 60.000,– 50.000,–
Differenz 10.000,–
Ausgleichspflicht 5.000,– von der Ehefrau an den Ehemann

Wie oben dargestellt, wird die Schuldenreduzierung nur dann berücksichtigt, wenn der betreffende Ehegatte ausgleichsberechtigt ist. Liegt bei dem anderen Ehepartner dagegen kein Vermögenszuwachs während der Ehe vor, partizipiert er nicht vom Schuldenabbau des anderen.

Beispiel

Berechnung nach neuem Recht:

Ehefrau Ehemann
Anfangsvermögen 0,– – 100.000,–
Endvermögen 0,– – 50.000,–
Zugewinn 0,– 50.000,–
Differenz 50.000,–
Keine Ausgleichspflicht wegen fehlenden Aktivvermögens auf Seiten der Ehefrau.

3. Begrenzung der Ausgleichsforderung, § 1384 BGB-E

Nach neuem Recht werden Vermögensveränderungen zwischen der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages und der Rechtskraft der Ehescheidung nicht mehr berücksichtigt. Es kommt nur noch auf die Vermögensverhältnisse bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages an. Damit wird der bisher möglichen Einwendung, das Vermögen habe sich zwischen Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages und Rechtskraft der Ehescheidung reduziert, der Boden entzogen. Vielleicht bewusst gesteuerte Vermögensreduzierungen in diesem Zeitraum sind nicht mehr möglich.

4. Kappungsgrenze nach § 1378 II BGB-E

Die Ausgleichsforderung wird auf die Hälfte des nach Abzug der Verbindlichkeiten vorhandenen Vermögens festgesetzt. Der ausgleichspflichtige Ehegatte muss also zur Befriedigung der Ausgleichsforderung maximal die Hälfte seines Vermögens einsetzen.
Dies entspricht eigentlich dem jetzigen Rechtsstand, bei dem dies grundsätzlich auch nicht möglich ist. Nur in 2 Fällen kann heute dieses Prinzip durchbrochen werden: Einmal, wenn dem Endvermögen Beträge hinzugerechnet werden, die illoyal ausgegeben wurden, tatsächlich aber nicht mehr vorhanden sind (§ 1375 II BGB). Zum anderen dann, wenn die Berechnung des Endvermögens nach § 1384 oder § 1387 BGB vorverlagert wird und sich das Vermögen des Ausgleichspflichtigen in der Zeit bis zur Entstehung der Ausgleichsforderung verringert hat.
Mit der nach neuem Recht gegebenen Möglichkeit des negativen Anfangs- und Endvermögens musste der Gesetzgeber nun die Kappungsgrenze einführen, da es ansonsten durchaus dazu kommen kann, dass ein Ehepartner nicht nur sein vorhandenes Vermögen einsetzen, sondern vielleicht sogar noch Schulden machen muss.

Diese Kappungsgrenze kann die Zugewinnberechnungen deutlich beeinflussen, wenn ein Ehepartner mit Schulden in die Ehe startet.

Beispiele

Berechnung nach neuem Recht

Ehefrau Ehemann
Anfangsvermögen 0,– – 100.000,–
Endvermögen 90.000,– 100.000,–
Zugewinn 90.000,– 200.000,–
Differenz 110.000,–
Ausgleichsanspruch: Eigentlich 55.000,–, aber zu kappen auf 50.000,–.

Je geringer der Zugewinn des eigentlich ausgleichsberechtigten Ehegatten ist, um so weniger nimmt er an der Schuldentilgung des anderen teil:

Berechnung nach neuem Recht

Ehefrau Ehemann
Anfangsvermögen 0,– – 100.000,–
Endvermögen 10.000,– 100.000,–
Zugewinn 10.000,– 200.000,–
Differenz 190.000,–
Ausgleichsanspruch: Eigentlich 95.000,–, aber zu kappen auf 50.000,–.

Hat der eigentlich ausgleichsberechtigte Ehegatte überhaupt keinen Zugewinn erzielt, hat er keinerlei Vorteil an der während der Ehe erfolgten Schuldentilgung des anderen Ehepartners:

Berechnung nach neuem Recht

Ehefrau Ehemann
Anfangsvermögen 0,– – 100.000,–
Endvermögen 0,– 100.000,–
Zugewinn 0,– 200.000,–
Differenz 200.000,–
Ausgleichsanspruch: Eigentlich 100.000,–, aber zu kappen auf 50.000,–.

Dies entspricht auch der Berechnung nach bisherigem Recht:

Berechnung nach bisherigem Recht

Ehefrau Ehemann
Schulden 100.000,–
Anfangsvermögen 0,– 0,–
Endvermögen 0,– 100.000,–
Zugewinn 0,– 100.000,–
Differenz 100.000,–
Ausgleichsanspruch der Ehefrau an den Ehemann 50.000,–.

Eine Ausnahme von der Anwendung der Kappungsgrenze findet bei illoyalen Vermögensverfügungen statt. Dann findet bei der Ausgleichsforderung keine Begrenzung mehr statt. Dann kommt eine Haftung bis zum vollständigen Einsatz des Vermögens in Betracht.

5. Illoyale Vermögensminderungen, §§ 1378 II, 1390 BGB-E

Die Auswirkungen von illoyalen Vermögensverfügungen auf die Kappungsgrenze wurde bereits geschildert (§ 1378 II).

Es kommt jedoch ein weiterer Schutz hinzu: Gegen den illoyalen Dritten besteht ein Herausgabeanspruch (§ 1390). Der Dritte soll unmittelbar als Gesamtschuldner neben den illoyalen Ehegatten treten und haftet nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen. Die unentgeltliche Zuwendung des Ehegatten setzt nach altem und neuem Recht Benachteiligungsabsicht voraus, nicht aber kollusives Handeln zwischen dem Dritten und dem Ehegatten.
Der Anspruch aus § 1390 wird im übrigen umgestaltet. Bisher geht er in erster Linie auf Herausgabe des Erlangten, ersatzweise Geldzahlung. Jetzt kehrt sich dies um, d.h. primär Geldforderung , die der Dritte durch Herausgabe abwenden kann.

6. Vorzeitiger Zugewinnausgleich, §§ 1385, 1386 BGB-E

Bisher ermöglichen die genannten Normen eine vorzeitige Beendigung der Zugewinngemeinschaft nur im Falle dreijährigen Getrenntlebens und im Fall unredlichen oder illoyalen Verhalten, wobei die entsprechende Handlung bereits erfolgt sein muss.

Jetzt wird folgendes geregelt:

  • Nach dreijährigem Getrenntleben besteht die Möglichkeit der Beendigung der Zugewinngemeinschaft, ohne dass es notwendig ist, dass gleichzeitig ein Anspruch auf Ausgleich geltend gemacht wird. Es kann eine Gestaltungsklage auf Aufhebung der Zugewinngemeinschaft eingereicht werden. Mit Rechtskraft tritt dann Gütertrennung ein.
  • Ebenfalls nach dreijährigem Getrenntleben kann dann Leistungsklage auf Zahlung des Zugewinn erhoben werden, wenn unlauteres wirtschaftliches Verhalten des anderen Ehepartners zu befürchten ist (also im Gegensatz zur geltenden Rechtslage nicht bereits erfolgt sein muss). Der in Anspruch genommene Ehegatte ist natürlich auskunftspflichtig.

7. Umfang der Auskunftspflicht, § 1379 BGB-E

Die Auskunftsverpflichtung erstreckt sich künftig auch auf das Anfangsvermögen (auch Passiva und privilegierte Zuwendungen), was bisher nicht der Fall war. Auf Anforderung müssen Belege vorgelegt werden.

8. Übergangsvorschriften, Art. 229 § 18 II EGBGB

Die Neuregelungen sollen für alle bei Inkrafttreten anhängige Verfahren gelten. Lediglich zum negativen Anfangsvermögen soll § 1374 BGB bei anhängigen Verfahren weiter gelten. Für Verfahren, die nach Inkrafttreten anhängig gemacht werden, gilt das neue Recht. Dies deswegen, weil kein schutzwürdiges Interesse am Fortbestand der alten Rechtslage besteht.

Autor: RA Robert Erdrich