§§ 6, 30 FamFG, 42 ff., 406 ZPO
In Kindschaftssachen (hier einstweilige Anordnung zur Umgangsregelung) kommt eine Ablehnung von Mitarbeitern des Jugendamtes oder des Jugendamtes selbst wegen Befangenheit nicht in Betracht.
OLG Celle, Beschluss vom 25.2.2011 10 WF 48/11
Sachverhalt
In einem einstweiligen Anordnungsverfahren um eine Regelung des Umgangs möchte der Antragsteller eine namentlich benannte zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen und sie von der weiteren Mitwirkung in diesem Verfahren ausschließen. Zur Begründung macht er geltend, die Mitarbeiterin habe durch die Äußerung gegenüber einer anderen Behördenmitarbeiterin sowie durch eine bestimmte Stellungnahme Anlass zu Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung gegeben.
Nachdem das Amtsgericht den Befangenheitsantrag als unzulässig abgelehnt hat, da ein solcher nur gegenüber Gerichtspersonen und Sachverständigen in Betracht komme, bringt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren ergänzend vor, der Befangenheitsantrag richte sich auch gegen das Jugendamt, welches im konkreten Fall in Ermangelung eines entsprechenden Antrages nicht Verfahrensbeteiligter nach § 7 FamFG sei; insofern sei es mit der eines Sachverständigen vergleichbar, so dass die Vorschriften bezüglich der Ablehnung von Sachverständigen jedenfalls entsprechend anzuwenden seien.
Entscheidung
Das OLG Celle legt in seinem Beschluss in überzeugender Weise dar, dass ein Befangenheitsantrag gegen einen Mitarbeiter/in des Jugendamtes oder das Jugendamt selbst nicht möglich sei, da gesetzlich nicht vorgesehen; ein derartiger Antrag sei daher unzulässig. § 6 FamFG i.V.m. §§ 41 ff. ZPO könne als Anspruchsgrundlage nicht herangezogen werden, da § 6 FamFG schon nach seinem Wortlaut einen Befangenheitsantrag ausschließlich gegenüber Gerichtspersonen (Richtern, Rechtspflegern oder Urkundsbeamten) möglich mache.
Hierzu zähle das Jugendamt nicht. Eine entsprechende Anwendung scheitere daran, dass der Gesetzgeber die Ablehnungsmöglichkeit auf ganz eng begrenzte Fälle ausgeweitet und dies auch jeweils ausdrücklich gesetzlich geregelt habe (auf Sachverständige in § 406 ZPO und Dolmetscher in § 191 GVG). Auch eine direkte oder entsprechende Anwendung der für Sachverständige geltenden Regelungen (§ 30 Abs.1 FamFG i.V.m. § 406 ZPO) komme nicht in Betracht.
Die Tätigkeit eines vom Gericht in einem Verfahren bestellten Sachverständigen unterscheide sich in wesentlichen Punkten von der Tätigkeit des Jugendamtes in Familiensachen. Das Jugendamt sei gemäß § 162 FamFG anzuhören; diese Anhörung diene der Aufklärung des Sachverhalts und gehöre zu der durch das Gericht von Amts wegen vorzunehmenden Materialsammlung. Während der Sachverständige vom Gericht ausgewählt werde und durch das Gericht ersetzt oder mit Weisungen bedacht werden könne (§§ 404, 404a ZPO), sei die eigenständige Rolle des Jugendamtes gesetzlich festgelegt (§§ 87b, 86 SGB VIII).
Das Jugendamt werde daher aus eigener gesetzlicher Verpflichtung und nicht als Hilfsorgan des Gerichts, sondern selbständig neben diesem tätig. Dies zeige sich auch daran, dass eine Stellungnahme des Jugendamtes auch nicht die eventuell erforderliche Einholung eines Sachverständigengutachtens ausschlösse. Das OLG Celle gibt am Ende der Entscheidung noch Hinweise, wie ein Verfahrensbeteiligter, der sich durch eine Stellungnahme des Jugendamtes benachteiligt sieht, vorgehen könne: Man könne durch entsprechenden Vortrag versuchen, das Gericht zu veranlassen, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Ferner eröffne § 50 SGB VIII die Möglichkeit, gegen Stellungnahmen der Jugendämter Rechtsmittel einzulegen.
Praxishinweis
Jeder an Umgangs- oder Sorgerechtssachen Beteiligte weiß um die zum Teil ungründlichen und zum Teil einseitigen Stellungnahmen der Jugendämter. Auf der anderen Seite sind aber auch sehr viele Stellungnahmen sachgerecht und gut. Da es für die beteiligten Eltern um sehr viel geht (auch wenn es sich ausnahmsweise nicht um materielle Dinge handelt) und die Stellungnahmen der Jugendämter schon erheblichen Einfluss auf den Verfahrensausgang haben können, sollten die Jugendämter bemüht sein, bei Erarbeitung der Stellungnahmen einige wenige Grundregeln zu beachten, wodurch viel Skepsis vermieden werden kann.
Dies betrifft z. B. den Ort der Anhörung von Kindern, auch die Frage wer an einem solchen Gespräch teilnimmt sowie mit wem und in wie viel Gesprächen der Sachverhalt ermittelt wird (Getrennte Gespräche mit beiden Elternteilen, getrennte Gespräche mit den Kindern auch in Anwesenheit nur jeweils eines Elternteils etc.) Wenn es aber dazu kommt, dass eine Stellungnahme für einen am Verfahren Beteiligten nicht akzeptabel ist, wird man dem Beschluss des OLG Celle zustimmen müssen, dass das Gesetz Raum für einen Befangenheitsantrag nicht gibt.
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