Nichteinhaltung der einjährigen Trennungszeit wegen unzumutbarer Härte (§ 1565 Abs. 2 BGB)

Erfährt die Ehefrau 3 Tage nach der Eheschließung telefonisch von einer engen Freundin, dass der neben ihr sitzende Ehemann (ein US-Staatsbürger) ihr gerade seine Liebe offenbart habe und wird ihr später bekannt, dass der Mann zudem schon am Tag vor der Hochzeit eine entsprechende E-Mail geschickt habe, begründet dies alleine keine unzumutbare Härte, die eine Scheidung der Ehe vor Ablauf des Trennungsjahres (hier: nach bereits weniger als 3 Monaten) rechtfertigen würde. Das gilt auch dann, wenn die künftige Lebensplanung der Ehegatten eine Wiederherstellung der Lebensgemeinschaft als praktisch ausgeschlossen erscheinen lässt.

OLG München, Beschluss vom 28.07.2010 – 33 WF 1104/10

Sachverhalt

Der Sachverhalt ergibt sich weitgehend aus dem Leitsatz. Zu ergänzen ist folgendes: Die Ehefrau trägt neben den Liebesbekenntnissen des Ehemannes einer anderen Frau (einer engen Freundin der Ehefrau !) gegenüber vor, dass der Ehemann mit seiner Freundin kurzfristig in die USA ausreisen wolle. Sie selbst beabsichtige, mit einem tibetischen Lama nach Nepal zu reisen. Durch die Verhaltensweise des Ehemannes sei sie psychisch stark belastet. Eine Aussicht auf Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft bestehe nicht. Das Amtsgericht hat den Antrag der Ehe-frau auf Verfahrenskostenhilfe abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.

Entscheidung

Das OLG München weist das Rechtsmittel zurück. Es ist der Auffassung, dass Gründe, die eine unzumutbare Härte darstellen würden und in der Person des anderen Ehepartners liegen müssten, nicht vorliegen. Das Ge-setz stelle mit dem Erfordernis einer unzumutbaren Härte strenge Anforderungen und wolle mit dem Aus-nahmetatbestand eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres zwar nicht verhindern, aber regelmäßig erschweren.

Aus dem Vortrag der Ehefrau ergäben sich aber anerkennenswerte Gründe nicht. Der von der Ehe-frau vorgetragene Treuebruch reiche alleine nicht aus; es müssten weitere Umstände hinzutreten. Auch oder selbst die Aufnahme einer außerehelichen Lebensge-meinschaft mit einem Dritten begründe nicht die Un-zumutbarkeit, das Trennungsjahr abzuwarten. In derartigen Fällen des Treue- oder Ehebruchs müssten vielmehr weitere Umstände hinzutreten wie die Darstellung in der Öffentlichkeit oder ein ehebrecherisches Verhältnis in der Ehewohnung.

Das OLG listet noch weitere bisher veröffentlichte Entscheidungen anderer Gerichte auf, bei denen eine unzumutbare Härte bejaht wurde (Geschlechtsverkehr mit der vorehelichen Tochter der Ehefrau oder mit Familienangehörigen oder der Schwägerin; Ehebruch, der auch für Dritte in einer kleinen Gemeinde offensichtlich ist; Aufnahme des Ehebruchpartners in die Ehewohnung; Aufforderung zum Geschlechtsverkehr zu dritt nach Entdeckung des ehebrecherischen Verhältnisses).

Diese oder ähnlich schwerwiegende Vorkommnisse lägen im zu entscheidenden Fall nicht vor, selbst wenn das Gericht der Ehefrau zugesteht, dass diese durch das Verhalten des Ehemannes psychisch stark belastet ist. Dies und auch die Tatsache, dass weder der Ehemann noch die Ehe-frau die eheliche Lebensgemeinschaft erneut aufnehmen wollten, reiche jedoch auf keinen Fall aus, um eine unzumutbare Härte anzunehmen.

Praxishinweis

Der Beschluss des OLG ist schon alleine deswegen lesenswert, da in der Entscheidung der bisherige Diskussionsstand zur unzumutbaren Härte ausführlich und umfassend (auch mit Fundstellen) dargestellt ist.

Das vom OLG gefundene Ergebnis wird vertretbar sein, selbst wenn es auch denkbar erscheint, von unzumutbarer Härte auszugehen. Möglicherweise wurde von Antragstellerseite nicht ausreichend vorgetragen. 2 Umstände ergeben Anhaltspunkte für eine unzumutbare Härte:

Einmal hat sich der Ehemann an eine enge Freundin der Ehefrau „herangemacht“, wobei man sich natürlich fra-gen muss, wie eng denn diese Freundschaft tatsächlich war, wenn die enge Freundin sich hierauf einlässt und mit dem Liebhaber in die USA ausreisen möchte. Es bleibt aber dabei, dass diese enge menschliche Verbin-dung zwischen Ehefrau und Geliebter des Ehemannes im Sinne einer unzumutbaren Härte als besonders verwerflich angesehen werden kann, da möglicherweise das Vertrauen der Ehefrau so massiv missbraucht wurde, dass von einer unzumutbaren Härte ausgegan-gen werden könnte.

Es wäre im Sinne der Antragstellerin hilfreich gewesen, wenn man zu dieser besonderen Situation zusätzlichen Sachvortrag hätte bewerten können. Der andere Aspekt ist, ob von einer ehelichen Lebensgemeinschaft der Eheleute überhaupt schon ausgegangen werden konnte, da zwischen Hochzeit und Aufdeckung ja nur wenige Tage vergangen waren. Wenn der Ehemann die eheliche Lebensgemeinschaft gar nicht aufnehmen wollte und auch nicht aufgenommen hat, könnte sich dies auch zugunsten der Antragstellerin auswirken. Da zu beiden Aspekten aber augenscheinlich nichts vorgetragen war, wird die Entscheidung des OLG richtig sein.

Rechtsanwalt Robert Erdrich, Bonn