Verpflichtung zur Auskunft über Einkünfte bei freiwilligem Ausbildungsunterhalt für volljähriges Kind durch geschiedenen Elternteil

BGB §§ 242, 1606 Abs. 3 BGB

Leistet ein geschiedener Elternteil aus freien Stücken den vollen Ausbildungsunterhalt für sein volljähriges Kind, so ist er, solange er gegenüber dem anderen Elternteil keinen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch verfolgt, diesem gegenüber nicht zur Auskunft über seine Einkünfte verpflichtet. (amtlicher Leitsatz)
BGH, Beschluss vom 17.04.2013– XII ZB 329/12

Sachverhalt

Die Parteien sind Eltern zweier inzwischen volljähriger Kinder, die sich nach Abschluss der Schule in Ausbildung befinden. Der Antragsgegner zahlt alleine den vollen Ausbildungsunterhalt an seine beiden Kinder. Er hat sich bisher weder der Antragstellerin – Mutter der beiden Kinder – noch den Kindern gegenüber darauf berufen, auch die Antragstellerin hafte für den Ausbildungsunterhalt.

Die Antragstellerin verlangt vom Antragsgegner Auskunft über seine Einkünfte, damit sie für den Fall ihrer späteren Inanspruchnahme ihren Haftungsanteil an dem gesetzlich gemeinsam geschuldeten Ausbildungsunterhalt berechnen könne.

Entscheidung

Der BGH bestätigt die den Antrag abweisenden Beschlüsse der Vorinstanzen.

Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass die Eltern gemäß § 1606 Abs. 3 S. 1 für den Ausbildungsunterhalt anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen haften. Wenn ein Elternteil von einem gemeinschaftlichen Kind auf Unterhalt in Anspruch genommen werde, könne er seinen Haftungsanteil nur dann errechnen, wenn ihm die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des anderen Elternteils bekannt seien. Gleiches gelte in dem Fall, in welchem ein Elternteil den anderen im Wege des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs in Anspruch nehme. Beides reiche aus, um einen Auskunftsanspruch des einen Elternteils gegen den anderen zu begründen. Dieser auf Treu und Glauben beruhende Anspruch leite sich aus § 242 BGB ab und bestehe immer dann, wenn zwischen Beteiligten besondere rechtliche Beziehungen vertraglicher oder außervertraglicher Art bestehen. Dies gelte trotz der dort existierenden Sonderbestimmungen auch für das Familienrecht, da die §§ 1580 und 1605 BGB nur Teilbereiche regelten.

Ein Auskunftsanspruch bestehe dann nicht, wenn der in Anspruch Genommene einem Kind aus freien Stücken vollen Unterhalt leiste und sich nicht darauf berufe, den Unterhalt nur teilweise zu schulden. Es bestehe dann ja gerade keine Unklarheit über das Bestehen oder den Umfang eines Unterhaltsanspruchs.

Dies bedeute auf der einen Seite, dass eine Unterhaltsverpflichtung der Mutter den Kindern gegenüber nicht bestehe, da der Vater ja den vollen Bedarf der Kinder abdecke.
Auf der anderen Seite sei die Mutter keinem familienrechtlichen Ausgleichsanspruch des Vaters ausgesetzt. Ein solcher sei vom Vater bisher nicht geltend gemacht und könne mit rückwirkender Wirkung für die Vergangenheit auch nur in den Grenzen des § 1613 BGB geltend gemacht werden. Der den Kindesunterhalt leistende Elternteil könne den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch also erst ab seiner Aufforderung zur Auskunft über Einkünfte und Vermögen, ab Verzug oder ab Rechtshängigkeit beanspruchen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor, so dass der Antragstellerin weder eine Inanspruchnahme durch den Vater noch durch die Kinder drohe mit der Folge, dass ein Auskunftsanspruch nicht bestehe.

Praxishinweis

Die Entscheidung des BGH ist für die Praxis in mehrfacher Weise von Interesse:
Nicht selten werden als willkürlich erscheinende Auskunftsersuchen gestellt; gerade dann, wenn kein Ehegattenunterhalt mehr geschuldet wird, versucht es ein Elternteil über den Kindesunterhalt. Beim Unterhalt für ein minderjähriges Kind ist die Auskunftsverpflichtung unproblematisch, beim Unterhalt für ein volljähriges Kind dagegen nicht, da der Auskunftsanspruch grundsätzlich ja dem Kind und nicht dem anderen Elternteil zusteht.
Um einen Auskunftsanspruch abzuwehren, muss man dem auf Auskunft in Anspruch Genommenen nach der Entscheidung des BGH folgendes empfehlen:

  • Es muss sichergestellt sein, dass mit den monatlichen Unterhaltszahlungen der volle Unterhaltsbedarf der Kinder abgedeckt ist; dann kommt es für die Unterhaltsberechnung nicht auf die Einkünfte und das Vermögen des anderen Elternteils an.
  • Dem Auskunft begehrenden anderen Elternteil muss ggf. mitgeteilt werden, dass eine Beteiligung am Kindesunterhalt im Wege des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs nicht verlangt wird.

Rechtsanwalt Robert Erdrich, Bonn