Heranziehung von Einkommen eines Strafgefangenen zur Erfüllung von Unterhaltspflichten – Höhe des Selbstbehalts

Zum zur Erfüllung von Unterhaltspflichten zur Verfügung stehenden Einkommen eines Strafgefangenen. (amtlicher Leitsatz)
OLG Koblenz, Beschluss vom 8.05.2014 – 7 UF 844/13

Sachverhalt

Der Antragsteller ist Vater des Antragsgegners. Er hatte sich in einer Jugendamtsurkunde verpflichtet, an seinen Sohn Kindesunterhalt ab dem 01.04.2011 befristet bis zum 02.03.2014 von monatlich 166,01 € zu zahlen. Ab dem 05.04.2012 befindet sich der Antragsteller in Strafhaft verbüßt, weil er wegen sexuellen Missbrauchs seiner Tochter zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden ist. Davor befand er sich vom 31.10.2011 bis zum 04.04.2012 in Untersuchungshaft.

Mit seinem Antrag begehrt er, die Jugendamtsurkunde dahingehend abzuändern, dass ab dem 01.04.2012 kein Unterhaltsanspruch mehr besteht. Er begründet dies damit, dass seine Einkünfte wegen seiner Inhaftierung so niedrig sind, dass er ab dem 01.04.2012 zu keinen Unterhaltszahlungen mehr verpflichtet ist; außerdem habe die Justizkasse das verfügbare Einkommen gepfändet.

Im Jahr 2012 betrugen die Einkünfte des Antragstellers insgesamt 2.114,58 €, im Jahr 2013 insgesamt 3.343,77 €. Hiervon erhält der Antragsteller 3/7 als sogenanntes Hausgeld zur freien Verfügung. Die restlichen 4/7, das sogenannte Eigengeld, werden dem Antragsgegner auf seinem Eigengeldkonto gutgeschrieben. Von diesem Guthaben wurden dem Antragsteller bis zum 06.03.2014 von der Landesjustizkasse aufgrund fälliger Forderungen der Staatsanwaltschaft aus dem Strafverfahren insgesamt Beträge in Höhe von 1.258,66 € gepfändet, wobei sich der Antragsteller gegen diese Pfändungen nicht gewehrt hat.

Der Antragsgegner wendet ein, sein Vater könne sich auf seine Mittellosigkeit infolge Inhaftierung nicht berufen, da er seine Leistungsunfähigkeit durch die Strafhaft in unterhaltsrechtlich relevanter Weise selbst herbeigeführt habe. Im übrigen habe er nicht nur seine Tochter, sondern auch ihn sexuell missbraucht.

Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben und die Jugendamtsurkunde dahingehend abgeändert, dass für die Zeit ab dem 01.04.2012 keine Unterhaltsansprüche mehr bestehen. Der Antragsteller verfüge über keine Einkünfte aus Erwerbstätigkeit mehr.

Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit der Beschwerde. Er verweist erneut darauf, dass sich die Tat auch gegen ihn als Unterhaltsberechtigten gerichtet habe. Der Antragsteller trägt vor, dass ihm das Hausgeld zu belassen sei und der restliche Betrag (das Eigengeld) nicht mehr zur Verfügung stehe, da er von der Landesjustizkasse gepfändet worden sei.

Entscheidung

Das OLG gibt der Beschwerde weitgehend statt (Kostenentscheidung 93% zu Lasten des Antragstellers) und begründet dies im Wesentlichen wie folgt:

Das Einkommen eines Strafgefangenen sei für Unterhaltszwecke einzusetzen, soweit es über dem zu beachteten Selbstbehalt eines Strafgefangenen liege und nicht durch eine unterhaltsrechtlich verbindliche konkrete Zweckbestimmung nach dem Strafvollzugsgesetz der Unterhaltsbemessung entzogen sei.

Danach sei das Eigengeld in Höhe von 4/7 des Arbeitsentgelts für Unterhaltszwecke heranzuziehen. Der notwendige Selbstbehalt des Antragstellers sei durch das Hausgeld gedeckt. Dieses sei dem Antragsgegner zu belassen zum Zwecke des Einkaufs von Nahrungs- und Genussmitteln etc. Das Hausgeld übersteige auch unter Berücksichtigung der freien Unterkunft, Verpflegung, Bekleidung und Gesundheitsfürsorge nicht den Mindestbedarf der notwendigen Ausgaben des Strafgefangenen, auch unter Berücksichtigung der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 II 1 BGB, so dass das Hausgeld nicht – auch nicht teilweise -heranzuziehen sei.

Soweit das Eigengeld teilweise durch die Landesjustizkasse gepfändet worden sei, führe dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Der Antragsteller hätte dieses Geld verwenden können und müssen, um seine Unterhaltspflichten zu erfüllen. Da das Eigengeld dem Pfändungsschutz des § 51 IV 2 StVollzG, nicht jedoch den §§ 850 ff. ZPO unterliege, wäre eine Pfändung durch die Justizkasse ohne Erfolg geblieben, da ein Betrag in Höhe des Überbrückungsgeldes unpfändbar sei und infolge der Unterhaltszahlungen dieser Betrag nicht überschritten worden wäre. Auch hätte der Antragsteller seine künftigen Auszahlungsansprüche an seinen Sohn abtreten können, in jedem Fall aber die Justizkasse von dem bestehenden Titel in Kenntnis setzen und Vollstreckungsmaßnahmen verhindern müssen. Es habe zu seinen Obliegenheiten gehört, alles zu tun, um die Unterhaltsansprüche zu sichern.

Das Argument des Antragsgegners, der Antragsteller könne sich auf seine durch die Strafhaft verursachte Leistungsunfähigkeit nicht berufen, weist das OLG unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH zurück. Danach müsse das für den Verlust des Arbeitsplatzes ursächliche Verhalten sich gerade als eine Verletzung seiner Unterhaltspflicht darstellen; hierzu reiche es nicht aus, dass Hintergrund der (teilweisen) Leistungsunfähigkeit eine Sexualstraftat dem Unterhaltsberechtigten gegenüber sei.

Praxishinweis

Letztlich geht es in der besprochenen Entscheidung um die Höhe des Selbstbehalts eines Strafgefangenen. Man wird spontan eher abwinken, wenn man gefragt wird, ob Aussichten bestehen, von einem Strafgefangenen Unterhalt zu erhalten. Dass dieser erste Eindruck nicht richtig ist, zeigt die Entscheidung des OLG Koblenz. Der Selbstbehalt ist angesichts freier Unterkunft und Verpflegung, Stellung von Kleidung etc, sehr niedrig. Es lohnt sich daher, genauer zu prüfen. Der Beschluss des OLG weist die Richtung.

Fachanwalt für Familienrecht Robert Erdrich, Bonn