Wert des Sachbezugs bei Firmenfahrzeug und Bemessung des Kaufkraftunterschieds zwischen USA und Deutschland

Amtliche Leitsätze

1.) Bei der Ermittlung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen ist der Wert des Sachbezugs durch die Überlassung eines Firmenfahrzeugs auch für private Zwecke gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Der Vorteil des Firmenfahrzeugs wird durch die steuerliche Bewertung erfasst. Eine Korrektur des steuerlichen Ansatzes kann geboten sein, wenn sich der Unterhaltspflichtige aufgrund seiner angespannten wirtschaftlichen Situation (hier: Verbraucherinsolvenz, 4 Unterhaltsberechtigte) privat ein weniger teures Fahrzeug anschaffen würde.

Dann ist es gerechtfertigt, dem Einkommen nur den Nutzungsvorteil eines seinem Einkommen, seinen Unterhaltspflichten und seinen Verbindlichkeiten entsprechenden Fahrzeugs zuzurechnen.(amtlicher Leitsatz)

2.) Der Unterhaltsbedarf des in den Vereinigten Staaten (Miami/Florida) lebenden Kindes ist im Hinblick auf den Kaufkraftunterschied um 9% herabzusetzen. Dieser Kaufkraftunterschied ergibt sich aus den vom Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) ermittelten „vergleichenden Preisniveaus des Endverbrauchs der privaten Haushalte einschließlich indirekter Steuern„.(amtlicher Leitsatz)

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.08.2015 „ 2 UF 69/15

Sachverhalt

Ein in den USA bei seiner Mutter lebendes minderjähriges Kind nimmt den in Deutschland lebenden Vater auf Kindesunterhalt in Anspruch. Dieser ist vier Personen gegenüber unterhaltspflichtig. Über sein Vermögen ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Er arbeitet nach Scheitern seiner selbständigen Tätigkeit als Angestellter und erhält von seinem Arbeitgeber einen Firmenwagen. Mit diesem (einem allradgetriebenen 3„er BMW) legt er in Süddeutschland sowie in Österreich und der Schweiz ca. 80.000 km jährlich zurück.

Das Unterhalt beanspruchende Kind möchte für die private Nutzung des Firmenwagens 487,– „ /Monat einkommenserhöhend berücksichtigt wissen. Auch ist es der Auffassung, bei der Höhe des Unterhalts müsse dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Mutter in den USA weder Kindergeld noch sonstige anrechenbare Leistungen erhalte. Einen Kaufkraftunterschied zwischen Deutschland und des USA gebe es auch aufgrund der jüngst stattgefundenen deutlichen Abwertung des Euro nicht.

Der Vater weist wegen der Fahrzeuges darauf hin, dass er im Vertrieb tätig und auf die Nutzung angewiesen sei. Der geldwerte Vorteil sei daher aufgedrängt. Angesichts seiner Lebensumstände würde er allenfalls ein kleineres Fahrzeug unterklassiger Art für sich privat und seine Familie benutzen. Der vom Arbeitgeber in der Verdienstabrechnung mit 219,– „ berechnete geldwerte Vorteil sei zutreffend. Schließlich müsse der Unterhalt gekürzt werden, da die Kaufkraft des Euro, der nach den USA gezahlt werde, dort höher sei als hier.

Die Entscheidung

Das OLG hält zum geldwerten Vorteil für die private Nutzung des Firmenfahrzeuges die Argumentation des Vaters für plausibel.

Dieser habe sich zwar das Firmenfahrzeug auswählen können; wegen der hohen Fahrleistung und dem Gebiet, in dem er tätig sei, sei die Fahrzeugwahl nachvollziehbar. Auch überzeuge es angesichts seiner angespannten finanziellen Lage, dass er sich privat ein kleineres Fahrzeug zugelegt hätte. Das OLG schätzt den Nutzungsvorteil auf 350,– „ und zieht hiervon den Steuernachteil durch die Lohnsteuer für das Firmenfahrzeug mit 82,– „ ab, so dass ein Nutzungsvorteil von 268,– „ verbleibt.

Wegen möglicher Kaufkraftunterschiede zwischen Deutschland und den USA kann auf die internationalen Statistiken über Kaufparitäten zurückgegriffen werden, hier auf die Berechnungen des vom Statistischen Amtes der Europäischen Union (Eurostat) ermittelten vergleichenden Preisniveaus des Endverbrauchs der privaten Haushalte einschließlich indirekter Steuern.

Dies bedeute im entschiedenen Fall eine Kaufkraftdifferenz von 9%. Um diesen Prozentsatz sei die Kaufkraft des Euro stärker, so dass sich der aus der Düsseldorfer Tabelle abzulesende Unterhaltsbetrag um diese 9% reduziere.

Praxishinweis

Mit seinen klaren Ansagen zu zwei häufig vorkommenden Streitpunkten zeigt  das OLG die Möglichkeiten auf, wie entschieden werden kann. Beim Streitpunkt Nutzungsvorteil eines Dienstwagens wird einmal mehr deutlich, wie wichtig es  ist, umfassend vorzutragen. Der Unterhaltspflichtige ist dienstlich vorwiegend  in bergiger Gegend unterwegs mit hohen jährlichen Kilometerleistungen.

Das  OLG hielt es angesichts dessen sowohl für angemessen, dass er sich einen  allradgetriebenen Dienstwagen ausgesucht hat, als auch ein  Mittelklassemodell. Ohne Vortrag solcher Besonderheiten hätte das OLG nicht  so entschieden.

Ob man freilich immer Richter findet, die einem  Verfahrensbeteiligten abnehmen, dass er privat ein kleineres und billigeres  Auto fahren würde, ist nicht immer gewährleistet. Hilfreich könnte hier der  Vortrag sein, welche privaten Fahrzeuge man in der Vergangenheit gefahren  hat. Bei den Kaufkraftunterschieden gab es in der Vergangenheit Probleme.

Seit der BGH in seiner in der FamRZ 2014, 156 veröffentlichten Entscheidung zu  erkennen gegeben hat, dass die Anwendung des von Eurostat ermittelten  vergleichenden Preisniveaus nicht beanstandet wird, besteht wieder  weitgehend Rechtssicherheit.

Dass dieses von Eurostat ermittelte Preisniveau  nicht kurzzeitigen und vielleicht auch kurzfristigen Wechselkursänderungen  folgt, wie es das Unterhalt begehrende Kind meint, versteht sich von selbst.

11.11.2015