Testament – Auslegung – Heranziehung von Nebenumständen

Der Fall

Das OLG Hamburg (Urteil vom 22.12.2016, Az. 2 U 10/16, veröffentlicht in FamRZ 2017/1086) hatte folgenden Sachverhalt zu beurteilen: Die Erblasserin hatte in einem notariellen Testament ihre beiden Kinder zu Erben von je ½ eingesetzt und gleichzeitig verfügt, dass eine ihrer beiden Eigentumswohnungen das eine Kind und die andere das andere Kind erhalten sollte. Da die beiden Wohnungen wertmäßig unterschiedlich waren, verfügte sie außerdem, dass dieser Wertunterschied nicht ausgeglichen werden sollte.

Während sie im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Testaments noch Eigentümerin beider Wohnungen war, gab es im Zeitpunkt des Todes nur eine Wohnung, da die andere verkauft worden war. Im Prozess ging es nun darum, ob das eine Kind – bezogen auf die Wohnung – nun leer ausgehen sollte, das andere Kind also die Hälfte des Nachlasses erhält und zusätzlich die noch vorhandene Wohnung, während das andere Kind nur die Hälfte des Nachlasses erhält.

Die Erblasserin hatte zu Lebzeiten mit Hilfe eines Bekannten noch eine formal unwirksame maschinenschriftliche Verfügung aufgesetzt, der zu entnehmen war, dass sie ihre beiden Kinder grundsätzlich zu in etwa gleichen Anteilen bedenken wollte. Unwirksam war dies deswegen, weil es nicht handschriftlich verfügt war.

Das OLG befand, dass der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen ist. Dabei können Andeutungen in dem Testament, aber auch außerhalb der Testamentsurkunde liegende Umstände herangezogen werden., die den Rückschluss auf den Willen des Erblassers zulassen.

Im konkreten Fall bedeutete dies

Es war zu erforschen, ob es dem Willen der Erblasserin entsprach, dass die beiden Töchter so unterschiedlich bedacht werden würden, weil eine der beiden Wohnungen nicht mehr existierte. Dabei zog das Gericht die maschinenschriftliche Niederschrift als Auslegungshilfe heran und kam zu dem Ergebnis, dass das notarielle Testament zu korrigieren ist und beide Kinder einen in etwa gleich hohen Erbanteil bekommen müssen.

Fazit

Es kommt häufig vor, dass sich die Vermögenssituation zwischen dem Zeitpunkt der Testierung und dem Ableben ändert. Es lohnt sich dann, für die vielleicht benachteiligte Person, nachzuforschen, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, die Benachteiligung zu korrigieren.

Lassen Sie sich fachkundig anwaltlich zum Erbrecht beraten.