Anrechnung weiterer Verdienste des Arbeitnehmers bei vereinbarter Freistellung im Aufhebungsvertrag

Lassen sich weitere Verdienste des Arbeitnehmers bei

Vereinbaren Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem künftigen Zeitpunkt, vereinbaren die Parteien regelmäßig die Freistellung des Arbeitnehmers bis zum Zeitpunkt der Beendigung. Für diesen Zeitraum verpflichtet sich der Arbeitgeber zumeist die vereinbarte Vergütung weiterzuzahlen. Nimmt der Arbeitnehmer vor dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine andere Beschäftigung auf, ist fraglich, inwieweit er sich den Verdienst aus der neuen Beschäftigung anrechnen lassen muss.

Unproblematisch erfolgt eine Anrechnung dieser Verdienste in Fällen, in denen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig freistellt. Denn in der Freistellungserklärung des Arbeitgebers liegt gleichzeitig die Erklärung, dass er eine Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annehmen wolle. Der Arbeitgeber kommt damit mit der Annahme der Arbeitsleistung automatisch in Verzug und bleibt nach § 615 S. 1 BGB verpflichtet, den Arbeitnehmer zu vergüten. Anderweitige Verdienste, die der Arbeitnehmer infolge der Freistellung macht, muss sich der Arbeitnehmer jedoch dann nach § 615 S. 2 BGB anrechnen lassen.

Fraglich ist, ob diese Anrechnung auch dann erfolgt, wenn der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber die Freistellung vertraglich vereinbaren.

Entscheidung

Das BAG hat im Rahmen der Entscheidung vom 23.02.2021 (Az: 5 AZR 314/20, veröffentlicht in NZA 2021, 778) zunächst festgestellt, dass eine Anrechnung anderweitiger Verdienste in Fällen der vertraglich vereinbarten Freistellung des Arbeitnehmers grundsätzlich nicht erfolge. Vielmehr müssten die Parteien die Anrechnung vereinbaren. Wenn eine ausdrückliche Regelung nicht vorliege, müsse über die Auslegung des Vertrags ermittelt werden, ob die Parteien die Anrechnung konkludent vereinbart hätten.

Die Anrechnung der anderweitigen Verdienste nach § 615 S. 2 BGB scheidet in solchen Fällen aus, da mit der Vereinbarung der Freistellung sowohl die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers als auch die Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer zu beschäftigen, entfallen. Der Arbeitgeber kommt daher mit der Annahme der Arbeitsleistung nicht in Verzug.

Da in dem, dem BAG vorliegenden Fall, keine Regelung zur Anrechnung getroffen wurde, musste das BAG ermitteln, ob die Parteien konkludent eine Anrechnung anderweitiger Verdienste vereinbart haben. Das BAG stellte dabei im Wesentlichen auf die Interessenlage bei Vertragsschluss ab. Insofern hatten die Parteien eine sog. Sprinterklausel vereinbart. Nach dieser hatte der Arbeitnehmer die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis mit einer kürzeren Kündigungsfrist (hier: 3 Tage) vorzeitig zu beenden, wobei sich der Arbeitgeber für diesen Fall dazu verpflichtete, eine Abfindung zu zahlen.

Die Parteien seien insofern bei der Vereinbarung der Sprinterklausel davon ausgegangen, dass der Arbeitnehmer bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses, das Arbeitsverhältnis durch das Sonderkündigungsrecht beenden würde und dafür im Gegenzug die Abfindung erhalten würde.

Auf diesem Weg sollte sichergestellt werden, dass dem Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine finanziellen Nachteile entstehen. Gleichzeitig sollte jedoch auch dem Interesse des Arbeitgebers, nicht unangemessen wirtschaftlich belastet zu werden, Rechnung getragen werden.

Im vorliegenden Fall gerieten diese Interessen in Schieflage, da der Arbeitnehmer trotz Aufnahme einer neuen Beschäftigung von dem Sonderkündigungsrecht keinen Gebrauch machte. Da dieser Fall im Vertrag nicht geregelt wurde und insofern eine Vertragslücke vorlag, legte das BAG den Vertrag unter Berücksichtigung der Interessenlage aus. Insofern nahm das BAG an, dass die Parteien für diesen Fall eine Anrechnung des anderweitigen Verdiensts vereinbart hätten. Im Ergebnis erfolgte daher auch eine Anrechnung.

Fazit:

Die Entscheidung des BAG zeigt, dass es zur Schaffung von Rechtssicherheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Fällen einer vertraglich vereinbarten Freistellung, wichtig ist, die Frage der Anrechnung abschließend zu regeln. Nur auf diesem Weg, kann sichergestellt werden, dass die Interessen der Parteien ausreichend berücksichtigt werden. Denn nicht in allen Fällen entspricht das Ergebnis der Auslegung auch dem wirklichen Willen der Parteien.

Bonn, den 09.07.2021