Testament – Auslegung von Formulierungen

Der Fall

In einem handschriftlichen Testament hatte der Erblasser Folgendes geschrieben:

(…) Sollte mir bei der Gallenoperation etwas zustoßen (…)

Es folgte dann die Erbeinsetzung seiner Lebensgefährtin. Die Gallenoperation überstand der Erblasser ohne Probleme.

Als er wesentlich später aus ganz anderem Grund verstarb, waren seine Verwandten der Auffassung, dass das Testament zugunsten der Lebensgefährtin keine Wirkung mehr entfaltet, da der Tod ja mit der Gallenoperation nichts zu tun hat.

Entscheidung des Gerichts

Das OLG München teilte diese Auffassung der Verwandten nicht (Beschluss vom 15.5.2012, Az. 31 Wx 244/11, veröffentlicht in NJW-Spezial 2012, 455). Es führte in seinem Beschluss aus, dass der Wortlaut des Testaments nicht so auszulegen sei, dass die Lebensgefährtin nur für den Fall als Erbin eingesetzt werden sollte, dass dem Erblasser bei der Gallenoperation etwas zustößt.

Es sei vielmehr so, dass die Motivation, ein Testament zu errichten, von der bevorstehenden Gallenoperation ausgelöst worden sei. Das Testament sollte aber auch darüber hinaus Wirkung entfalten, also auch dann, wenn die Gallenoperation gut überstanden wird.

Bewertung

Aus der Entscheidung des OLG kann man entnehmen, dass es eines deutlicheren Hinweises bedurft hätte, wenn der Erblasser wirklich hätte bestimmen wollen, dass das Testament nur für den Fall eines Todes anlässlich der Gallenoperation gelten sollte.

Es hätte dann z.B. formuliert werden müssen/können: Nur für den Fall, dass ich die bevorstehende Gallenoperation nicht überlebe, fertige ich das nachfolgende Testament. Oder er hätte formulieren können: „Dieses Testament soll nicht gelten, wenn ich die bevorstehende Gallenoperation überlebe“.

Es zeigt, wie wichtig es ist, einen Fachmann zu befragen, wenn man handschriftliche Testamente aufsetzt. Nicht selten möchte man durch das Aufsetzen von Testamenten Streitigkeiten verhindern; tatsächlich entstehen durch unklare Testamente aber erst Streitereien.