Betreuungsunterhalt; Umfang der Arbeitsverpflichtung des ein Kind betreuenden Ehepartners

Nach der zum 1.1.2008 wirksam gewordenen Unterhaltsrechtsreform hat es eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen gegeben; erfreulicherweise hat auch die höchste Instanz – der Bundesgerichtshof sehr früh mit eigenen Entscheidungen Position bezogen.

Jetzt hat der BGH eine weitere Entscheidung verkündet, in der noch einmal anschaulich dargelegt wird, wie zu entscheiden ist (BGH, Urteil vom 15.9.2010, Az. XII ZR 20/09, veröffentlicht in NJW 2010, 3369).

Der Sachverhalt

Die Eheleute hatten 1999 geheiratet; im Jahr 2000 wurde der gemeinsame Sohn geboren. Die Ehe wurde im Juli 2008 geschieden, wobei der Sohn bei der Mutter lebt. Der Vater arbeitet vollschichtig. Die Mutter arbeitet im Umfang von 25 Stunden/Woche und verlangt vom geschiedenen Ehemann nachehelichen Betreuungsunterhalt. Würde sie vollschichtig arbeiten, wären ihre Bezüge etwa genauso hoch wie die des geschiedenen Ehemannes.

Die Entscheidung

Das Amtsgericht und das Oberlandesgericht hatten den Tätigkeitsumfang der Mutter (25 Stunden/Woche) für ausreichend gehalten und der Mutter Nachehelichen Ehegattenunterhalt zugesprochen. Der BGH hält dies für falsch und hat diese Urteile aufgehoben. Er hat den Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen und Vorgaben für die neu zu treffende Entscheidung gegeben.

Die Gründe

– In den ersten drei Jahren ab Geburt des Kindes ist der betreuende Elternteil zu keinerlei Berufstätigkeit verpflichtet; erzielt er trotzdem Einkünfte, sind die anteilig (in der Regel zu 50%) zu berücksichtigen

– Ab dem 4. Lebensjahr des Kindes steht dem betreuenden Elternteil ein Unterhaltsanspruch zu, wenn dies der Billigkeit entspricht. Dabei kommt es nicht zu einem abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit. Es ist vielmehr ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich

– Wie dieser Übergang vonstatten zu gehen hat, richtet sich im Gegensatz zur alten (bis zum 31.12.2007 geltenden) Rechtslage nicht mehr nach dem Alter des Kindes (damals galt: bis zum 8. Lebensjahr keine Berufstätigkeit, vom 9. bis zum 15. eine halbschichtige und ab dem 15. eine vollschichtige). Es kommt jetzt vielmehr darauf an, ob die Betreuung des Kindes auch sichergestellt ist, wenn es nicht vom Elternteil persönlich, sondern in andere Weise betreut werden kann. Der BGH weist insoweit darauf hin, dass der Gesetzgeber entschieden hat, dass es keinen Vorrang der persönlichen Betreuung gegenüber anderen kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten gibt. Wenn es also kindgerechte Einrichtungen gibt, in denen die Betreuung gewährleistet ist, kann nicht der persönlichen Betreuung der Vorzug gegeben werden.

– Wenn es anderweitige Betreuungsmöglichkeiten gibt, muss immer noch geprüft werden, inwieweit der Elternteil, bei dem das Kind lebt, nicht durch eine vollschichtige Tätigkeit und die zusätzliche nach der Berufstätigkeit zu erledigenden Haushalts- und Kinderbetreuungsarbeiten über Gebühr belastet wird oder ist.

– Unter Berücksichtigung des konkreten Betreuungsbedarfs ist dann eine Prüfung geboten, ob und in welchem Umfang die Erwerbsobliegenheit des unterhaltsberechtigten Elternteils über den Umfang der Betreuung des Kindes in einer kindgerechten Einrichtung hinaus noch eingeschränkt ist.

Fazit

Der BGH bleibt dabei, dass es auf den konkreten Einzelfall ankommt. Man muss als Anspruchsteller genau darlegen, wo es Betreuungsmöglichkeiten gibt, welche Arbeitszeiten bei der eigenen Berufstätigkeit vorliegen, wie dies alles miteinander zu vereinbaren ist. Besonders wichtig erscheint die Darstellung, welche Zeit man für die eigene Berufstätigkeit aufbringen muss (Arbeitszeit einschließlich möglicher Überstunden und Fahrzeiten zur Arbeit) und welche zusätzliche Zeit aufzubringen ist, um das Kind zum Hort zu bringen oder von dort abzuholen. Darüber hinaus wäre zu schildern, welche Arbeiten dann noch verbleiben (restliche Hausaufgaben etc.).

Das Unterhaltsrecht ist und bleibt kompliziert. Der Beratungsbedarf für betroffene Personen wird immer größer. Wenn Sie sich beraten lassen wollen, wenden Sie sich an den in unserer Praxis im Familienrecht tätigen Fachanwalt für Familienrecht Robert Erdrich.