Sehr häufig sind Testamente so formuliert, dass ihnen nicht eindeutig entnommen werden kann, was der Verfasser des Testaments gemeint hat.
Mit einer solch schwierigen Auslegungsfrage bei der Testamentserrichtung beschäftigt sich die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 19.8.2015 (Az I-3 Wx 191/14, veröffentlicht in FamRZ 2016, 165).
Handschriftliches, unterschriebenes Testament
Eine Erblasserin hatte in einem handschriftlich verfassten und unterschriebenen Testament folgendes geschrieben:
4.3.2013 Dies ist mein Testament. Sollte heute bei diesem Eingriff etwas passieren und ich nicht mehr aufwachen, vermache ich mein ganzes Vermögen und Haus Herrn A.
Mit Eingriff meinte die Erblasserin eine Biopsie mit nur örtlicher Betäubung. Die Erblasserin überstand die Biopsie unbeschadet und starb Monate später aus anderen Gründen.
Nach seinem Tod beantragte Herr A einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist. Dagegen wehrten sich andere Personen, die Erben geworden wären, wenn Herr A nicht zum Zuge käme.
Das OLG gab dem Antrag von Herrn A statt
Das OLG vertritt die Auffassung, dass der Wortlaut des Testaments nicht dahingehend ausgelegt werden könne, dass Herr A nur für den Fall eingesetzt wurde, dass bei dem konkret bevorstehenden medizinischen Eingriff etwas passiert. Wenn die Erblasserin dies gewollt hätte, hätte sie es deutlicher zum Ausdruck bringen müssen. In der Regel sei es nämlich so, dass der Hinweis auf ein bestimmtes Ereignis nur die Mitteilung eines Beweggrundes dafür sei, weswegen man gerade jetzt ein Testament schreibe. Wenn man dagegen wolle, dass Voraussetzung für die Einsetzung einer bestimmten Person von einer Bedingung abhängen soll, müsse man dies deutlicher zum Ausdruck bringen.
Bewertung
Die Auffassung des OLG Düsseldorf entspricht der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung und Literatur. Wenn die Erblasserin geschrieben hätte, dass Herr A nur für den Fall als Erbe eingesetzt wird, dass sie im Zusammenhang mit der Biopsie stirbt oder ihr im Zusammenhang damit etwas passiert, wäre ein direkter Zusammenhang zu bejahen; dann wäre Herr A nicht Erbe geworden.
Dies bedeutet, dass man bei Formulierung eines Testaments besondere Sorgfalt walten muss. Lassen Sie sich daher rechtzeitig beraten.
Sollten Sie Fragen zum Erbrecht haben, wenden Sie sich bitte an den in unserer Praxis für Erbrecht zuständigen Rechtsanwalt Robert Erdrich.
Autor: RA Robert Erdrich
Datum: 19.02.2016