Eine Reihe gerichtlicher Entscheidungen des EUGH (Europäischer Gerichtshof) und des BAG (Bundesarbeitsgericht) macht es notwendig, die praktische Bedeutung dieser Entscheidungen darzustellen:
1. Vererbbarkeit des Urlaubsanspruchs
Während bisher davon ausgegangen wurde, dass beim Tod eines Mitarbeiters zu diesem Zeitpunkt noch kein Urlaubsabgeltungsanspruch bestand, weswegen dieser Abgeltungsanspruch auch nicht vererbt werden konnte, hat sich die Rechtsprechung jetzt geändert. Nach Vorgabe durch den EUGH ist nun auch das BAG der Auffassung, dass den Erben eines Arbeitnehmers ein Anspruch auf Abgeltung des vom Erblasser nicht genommenen Urlaubs zusteht.
Dabei muss beachtet werden, dass der Anspruch so auf die Erben übergeht, wie er beim Arbeitnehmer bestanden hat. Dies bedeutet, dass die Erben vertragliche und tarifvertragliche Ausschlussfristen beachten müssen, die auch für den verstorbenen Arbeitnehmer gegolten hätten.
2. Verfall von Urlaub
Wenngleich ist eine weitverbreitete Auffassung gab und gibt, dass der nicht genommene Jahresurlaub erst am 31.3. des Folgejahres verfällt, sah und sieht § 7 III BurlG vor, dass der Urlaub zum Ende des Kalenderjahres verfällt.
Diese für Arbeitnehmer „unangenehme“ Folge gibt es nun nicht mehr. Ein Urlaubsanspruch verfällt erst dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ausreichend über den Umfang seines Urlaubs und dessen möglichem Fortfall zum Jahresende unterrichtet hat (EuGH Az. ECLI:EU:C:2018:872, veröffentlicht in NZA 2019/36; BAG, Az. 9 AZR 423/16, veröffentlicht in NZA 2019, 977).
Dies muss in nachweisbarer Form geschehen, am besten schriftlich.
Der Hinweis des Arbeitgebers muss folgendes enthalten:
- Die Mitteilung, wie viel Urlaubstage dem Arbeitnehmer zustehen
- Die Aufforderung, den Urlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er noch im laufenden Urlaubsjahr genommen werden kann
- Der Hinweis darauf, dass der Urlaub ersatzlos verfallen wird, wenn er innerhalb des Bezugszeitraums nicht genommen wird
Nicht ausreichend wird der Hinweis des Arbeitgebers sein, die noch offenen Urlaubsansprüche ergäben sich aus der monatlichen Lohnabrechnung, selbst wenn dort die jeweils noch offenen Urlaubstage aufgelistet sein mögen.
Ein Aushang am schwarzen Brett wird ebenfalls nicht genügen, da der Arbeitnehmer individuell wird unterrichtet werden müssen.
Hat der Arbeitgeber (vielleicht auf Bitten des Arbeitnehmers) den im Urlaubsjahr nicht genommenen Urlaub in das nächste Jahr übertragen und gestattet, dass der „alte“ Urlaub bis zum 31.3. des Folgejahres genommen worden sein muss, verfällt dieser Urlaub nur dann, wenn der Arbeitgeber seiner Informationspflicht nachgekommen ist, Er muss also rechtzeitig vor dem 31.3. die Hinweise geben, die oben beschrieben sind.
Gibt der Arbeitgeber die Hinweise zum Urlaub nicht oder nicht in der erforderlichen Form, so erlischt der Urlaubsanspruch nicht, sondern wird in das Folgejahr fortgeschrieben.
Unterlässt der Arbeitgeber auch in den Folgejahren die Information des Arbeitnehmers und hat der Arbeitnehmer nicht den ganzen ihm zustehenden Urlaub genommen, erhöht sich der Urlaubsanspruch immer weiter.
3. Verjährung von Urlaub
Wie alle anderen Ansprüche auch, verjähren auch Unterhaltsansprüche; dies ist allerdings nicht ganz unstreitig. Dabei gilt die übliche Verjährungsfrist von 3 Jahren (§§ 194 I, 195 BGB). Häuft sich der Urlaub also entsprechend den Ausführungen in Ziff. 2 an, droht nach 3 Jahren die Verjährung. Das BAG (Urteil vom19.3.2019, Az. 9 AZR 881/16, veröffentlicht in NZA 2019, 1047) hat die Verjährung bei folgendem Sachverhalt verneint: Wenn in Lohnabrechnungen aufgelistet ist, welche Urlaubsansprüche einem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Fertigung des Lohnabrechnung zustehen (dies ist sehr häufig der Fall), kann dies als Anerkenntnis des Arbeitgebers angesehen werden. Nach § 212 I Nr. 1 BGB unterbricht ein solches Anerkenntnis die Verjährung. Dabei soll es nicht darauf ankommen, ob der Arbeitgeber die Lohnabrechnungen selbst oder durch einen Dienstleister (z.B. Steuerberaterbüro) fertigt. Er muss sich nämlich auch die Handlungen des von ihm Beauftragten zurechnen lassen…
Liegt ein Anerkenntnis vor, beginnt die in den Abrechnungen ausgewiesenen Urlaubsansprüche jeweils an dem auf die Abrechnung folgenden Tag erneut zu laufen, wenn die Verjährungsfrist zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Entgeltabrechnung erteilt, noch nicht abgelaufen ist.
4. Abgeltung von Urlaub
Wenn das Arbeitsverhältnis endet, bevor der Jahresurlaub genommen wurde, verwandelt sich der Urlaubsanspruch in einen finanziellen Abgeltungsanspruch. Statt bezahlter Freizeit können Arbeitnehmer dann den Gegenwert ihres Urlaubsanspruchs in Geld verlangen, wobei dieser Anspruch entsprechend den oben unter Ziff. 1 gemachten Ausführungen auch von den Erben geltend gemacht werden kann, wenn der Arbeitnehmer verstirbt und noch Urlaubsansprüche offen waren.
Ein derartiger Abgeltungsanspruch steht auch den Arbeitnehmern zu, die lange erkrankt waren und deren Arbeitsverhältnis endet. Während bis 2011 davon ausgegangen wurde, dass ein durchgehend kranker Arbeitnehmer keinen Urlaubsabgeltungsanspruch erwirbt, , hat sich dies durch die Entscheidung des EUGH vom 22.11.2011 (Az. C-214/10) geändert. Nach diesem Urteil steht dem Arbeitnehmer für die letzten 15 Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Abgeltungsanspruch zu. Auch dieser ist wieder verblich entsprechend den Ausführungen zu Ziff. 1.
5. Urlaub in Elternzeit
Auch in der Elternzeit besteht der Urlaubsanspruch. Allerdings hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, den Urlaubsanspruch pro Monat der Elternzeit um jeweils 1/12 pro Monat zu kürzen. In der Regel erfolgt eine solche Erklärung zu Beginn der Elternzeit und gilt dann für die gesamte Elternzeit.
Ansonsten kann Urlaub, der zu Beginn der Elternzeit noch offen stand, nach Ende der Elternzeit, also mit Forstsetzung des Arbeitsverhältnisses, genommen werden.
Sie haben weitere Fragen zum Thema Urlaub und Arbeitsrecht? Hier finden Sie weitere Ausführungen zu unserem Tätigkeitsfeld Arbeitsrecht.